Soziopod #032: Bourdieu und der Fluch der sozialen Ungleichheit

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38 Antworten zu „Soziopod #032: Bourdieu und der Fluch der sozialen Ungleichheit“

  1. David

    Danke für eine wie immer gelungene und informative Episode!
    Am Habitusmodell wir ihr es dargelegt habt stört mich ein Punkt, auch wenn ich es überwiegend plausibel finde. Gleichzeitig suggeriert es aber, dass Sozialisation entweder einzig in der Kernfamilie stattfindet (wo es auch schon schwierig würde, wenn die Mutter aus einem anderen Milieu kommt als der Vater) Oder aber WENN das Kind auch von anderen Personen im frühen Alter geprägt werden sollten, die Schichten auch dort komplett abgeschottet bleiben und sei es auf dem großen Spielplatz.
    Gemeinsam mit der stetigen Ausdfferenzierung der Gesellschaft in diversesten Milieus und individueller Lebensplanung und -gestaltung kann man vielleicht Zwei Dinge folgern: 1. Zu Zeiten Bordieus war die Gesellschaftsstruktur wohl noch so „wenig“ differenziert, dass solche Modelle sich logisch erstellen und begründen ließen. 2. Betrachtet man, was es alles zu bedenken gibt, zeigt sich deutlich, dass Soziologen für ihre Tätigkeiten viel zu wenig honoriert (in Den meisten Fällen v.a. bezahlt) werden

    1. Nils Köbel

      Hallo David,
      Bourdieu betont, dass sich durch zunehmende gesellschaftliche Differenzierung das Problem der sozialen Ungleichheit nicht einfach auflöst, das hat er den Soziologen der Modernisierung immer wieder ins Stammbuch beschrieben, und darin liegt ja auch eine Pointe der Theorie. Zum großen Spielplatz: „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern!“

      1. Daher wäre es natürlich interessant die Thesen Bourdieus im Wandel der Zeit zu betrachten und der Frage: Hat sich irgend etwas inzwischen verändert?

  2. BrEin

    Hallo Ihr beide, es freut mich riesig, dass Ihr wieder weiter macht.

    Auch die Qualität ist super und eure Art das Thema vorzutragen,
    Ja, ihr hättet ruhig etwas langsamer voran schreiten können. Dann wären auch Begriffe wie „Lexikas“ nicht gefallen. 😉 Man hätte durchaus auf die einzelnen Kapitalsorten genauer eingehen können, beispielsweise.

    Aber alles in allem ist das wieder eine sehr tolle Folge.

    Obwohl ich erst bei Minute 36 bin, muss ich dennoch einhacken.
    Ich teile viele Ansichten Bourdieus. Jedoch glaube ich nicht, dass jemand sein Habitus von seinem Milieu bekommt und diesen nicht los wird.
    Ich stimme zu, dass der Habitus einer Person ein Indiz ist um auf seine Herkunft zu schließen. Es ist aber kein unveränderliches Merkmal. Ich brauche zum Beispiel nur mein Milieu zuwechseln. Aus dem Elternhaus einer Arbeiterfamilie in dem sogar alle älteren Brüder im gleichen Stahlwerk schaffen wie der Vater, an die Uni um dort bei Dr. Köbel Soziologie zu studieren. Das würde, möchte ich im neuen Milieu Anschluss finden, mein Verhalten, mein Denken und schlussendlich mein Auftreten stark beeinflussen. Des Weiteren ist es doch möglich, dass ich mich nicht so verhalten möchte, wie es in meinem Milieu üblich ist, sondern wie es in dem Milieu üblich ist, dem ich nacheifere. Selbst, wenn ich noch kein Teil dessen bin.

    Natürlich setzt dies mindestens zwei Dinge voraus. Zum einen muss ich das jeweils andere Milieu, dem ich mich anpassen möchte kennen. Zum anderen muss ich reflektiert genug sein um mir dessen bewusst zu sein. Unabhängig davon, ob ich dafür ein Begriff habe oder das soziologisch analysieren kann.

    Wenn ich mein Milieu nicht hinterfrage und mich versuche dem bestmöglich anzupassen um bei den Leuten den größten Anschluss zu finden, die sich ohnehin in meinem Umfeld befinden, dann ja, dann hat Bourdieu recht. Dann versuche ich in bildungsfernen Schichten, mich mit Stammtischphrasen, Klatsch und Tratsch und Koketterie über Bildungsverweigerung von anderen Schichte zu unterscheiden und die größten Gemeinsamkeiten in meinem Milieu zu finden. Gleiches wenn ich aus dem Bildungsbürgertum stamme und ich mich mittels elaborierter Sprache, Kleidung und Gestus von der „Unterschicht“ abzugrenzen versuche.
    Aber wenn ich versuche das Milieu zu wechseln, oder auch nur einen anderen Habitus besser finde, dann steht es mir doch sowohl frei als auch in meiner Macht mein Habitus zu ändern. Oder etwa nicht?

    Gruß
    Fabian

    1. BrEin

      OK, OK!
      Vielleicht hätte ich doch zuerst zu Ende hören sollen. Sowohl der Begriffs des Milieu als auch die Wandelbarkeit des Habitus wurden dann noch eingeführt. Dann bin ich schon eher zu frieden.

      ABER, bei Marx geht es nicht darum, dass jeder das gleiche tut und das gleiche besitzt (Drohne). Aber das war ja hier auch nicht das Thema.
      Danke für diese Folge. Ihr seid wirklich eine Bereicherung.

      Gruß
      Fabian

  3. Michael

    Vielen Dank für die neue Episode.

    Die Idee mir +1 finde ich sehr gut. Ich höre z.B. häufig den Podcast The Partially Examined Life. Die haben auch ab und zu einen Gast, und das sind meistens die besten Episoden!

    Wahrscheinlich sollte man keine Hemmungen haben auch „Koryphäen“ für so etwas anzufragen. In der letzten Episode war z.B. Frithjof Bergmann zu Gast, den ich mir sehr gut auch im Soziopod vorstellen kann! Seine Arbeit, Thema und Hintergrund passt jedenfalls fast schon zu gut zu Eurem Podcast (er ist eigentlich Deutscher, Sprache wäre also auch kein Problem).

    Wegen der Seltenheit würde ich mir nicht zu viele Sorgen machen, Hauptsache ihr macht weiter und nehmt Euch genügend Zeit zur Vorbereitung.Grüsse, Michael

  4. der_pelz

    Hallo,
    leider kann ich momentan mit dem Firefox unter Linux weder Folgen herunterladen noch hören. Ich weiß allerdings nicht, ob es an meinem System liegt, weil ich es „sicherheitsmäßig“ recht abgedichtet habe.
    Kann jemand Rückmeldung geben, ob es bei ihm klappt?
    Es hat auch nicht in meinem Smartphone funktioniert.
    Ich bin doch so ungeduldig! 😉
    Viele Grüße
    der_pelz

    1. der_Verstand

      Hallo,
      ich habe es mit drei Browsern probiert u auf meinem Smartphone u ich kann es auch leider nicht anhören. Ich warte auch ungeduldig u eine Rückmeldung von den beiden wäre toll.
      Gruß vom Verstand

    2. tomas

      Auch hier unter drei verschiedenen Browsern und UBUNTU weder Play noch Download möglich.

    3. el_capitan

      Hier das gleiche Problem. Weder auf Smartphone, noch Tablet kann ich die Folge über einen Podcatcher oder Browser laden.

      1. Hallo! Das Problem sollte eigentlich gelöst sein. Bei mir funktioniert das sowohl im Browser wie auch im iTunes. Ggf. nochmal aktualisieren und den Cache leeren? Wie gesagt bei mir und anderen funzt das jetzt wieder.

        1. Tobias

          Könnte es an den zur Verfügung stehenden Audio Formaten liegen? Firefox unter Linux unterstützt z.B. den proprietären MP3 Standard nicht sondern braucht die Dateien im ogg vorbis Format.

  5. Acc

    Falls sich wer wundert: „Hilfe! Unser Provider hat unsere Downloads über Nacht gesperrt und will uns rauswerfen. 7TB Datentraffic sei zu viel des Guten.“ (Soziopod via Twitter)

    1. mt453

      der Soundcloud-Player ist bei mir der einzige Player der inline im Browser einigermassen zuverlässig läuft. Ich glaube auch die Hosting-Kosten sind sehr fair (und ohne Bandwith Limit). (Habe keine Geschäftsbeziehungen zu denen.)

  6. thf

    Ich hatte mir eine Folge über Bordieu gewünscht – und jetzt gibt es sie. Vielen Dank.

    Was ich fragen wollte: Kann es sein, dass es bzgl. der Kapitalsorten verschiedene Auffassungen gibt? Im Podcast wurden drei genannt (Soziales, Kulturelles, Ökonomisches). In einem Seminar zu Kultur- und Literaturtheorien hatten wir auch mal eine Sitzung zu Bourdieu und ich meine, wir hatten da noch andere Kapitalsorten diskutiert, vor allem symbolisches Kapital und verschiedene Subtypen (institutionelles Kapital usw.). Variiert das manchmal?

    1. Nils Köbel

      Hallo,
      alle Kapitalsorten bestehen aus symbolischem Kapital, daher ist dies eher ein Sammelname für die Kapitalsorten

  7. Claudiaaa

    Kompliment, mal wieder eine sehr gelungene Folge!!! Endlich mal wieder eine schöne Abwechlung zum Fernsehabend.

    Ich hätte noch eine lustige Geschichte zum Thema Habitus und dass sich die Menschen an ihm erkennen:

    Viele Menschen versuchen, sich (ohne eingeladen zu sein) auf Promi-Partys einzuschleichen. Einem Mann ist das einige Jahre lang gelungen. Er hat sich unauffällig gekleidet und verhalten, sich im Hintergrund gehalten und ab und zu mal in seinen Ärmel gesprochen. Da er sich ebenfalls immer ganz nah an einer prominenten Person gehalten hat, dachten alle Security-Mitarbeiter, er sei einer von Ihnen. Ganz selbstverständlich ist er so zu den Promi-Partys seiner Wahl gegangen und hat sich mit den Stars und Sternchen auf der Verantstaltung fotografieren lassen. (Diese Fotos zeigte er ganz stolz einem Kamerateam, das später einen Beitrag über sein etwas ausgefallenes Hobby drehte.) Das ging, wie gesagt, eine ganze Weile gut, bis er bei einer etwas strengeren Kontrolle aufgeflogen ist.

    Der Habitus der Security-Mitarbeiter war der Schlüssel für ihn, in einen exklusiven Kreis von Personen zu kommen, zu dem ihm der Zutritt sonst verwehrt gewesen wäre.

    Ich finde, diese kleine Anekdote zeigt, wie stark uns der Habitus und dessen (unbewusste) Wahrnehmung beeinflusst. Mir gefällt sie auf jeden Fall sehr. 🙂

  8. Julia Halmos

    Super Beitrag, war super Einstiegsdroge, zumal ich grade ein Forschungsprojekt abgeschlossen habe, mit hohem Bourdieu-Anteil mit dem Thema: „Mediale Repräsentation sozialer Konflikte“ Danke! ; )

  9. markusmind

    Vielen Dank euch beiden für eine weitere tolle und informative Sendung.

    Zur Einodrnung von Foucault in eine bestimmte Tradition: Er ist sehr viel stärker von Nietzsche beeinflusst gewesen als von Marx. Seine Methoden Archäologie und Genalogie sind an Nietzsche angelegt und führen das fort. Dass er Marx auch eher ablehnend gegenüberstand – außer vielleicht in der ganz frühen Phase – zeigt sich IMO an seinem Machtbegriff, der querliegt zu marxistischen Konzepten. Macht entsteht für ihn weniger aus einer Gesellschaftsschicht bzw. Personen, sondern aus Diskursen bzw. aus Dispositiven, so z.B. im Zusammenhang mit der Disziplinierungsmacht.

    Zu Bourdieu: Wie schon in einem anderen Kommentar angemerkt wurden, gibt es denke ich noch so etwas wie symbolisches Kapital. Man könnte es sogar als eigenständige Kapitalsorte begreifen. Wenn ich immer das neueste Iphone haben muss und nur zu Hollister für Klamotten gehe, zeige ich doch damit, dass ich zu einer bestimmten Schicht gehöre. Mein symbolisches Kapital ist dann hoch. Ich denke auch, dass das quer zu den anderen Kapitalsorten liegt, d.h. auch wenn ich wenig ökonomisches Kapital haben, strebe ich denn Besitz bestimmter Güter an, verzichte dafür lieber auf andere Dinge.

    Wie seht ihr das?

    1. Nils Köbel

      Hallo,
      Dass Foucault stärker von Nietzsche beinflusst wurde, ist vollkommen richtig, Charles Taylor nennt ihn sogar „Neonietzscheianer“. Marx kommt tatsächlich eher in der Frühphase vor, ist aber bei anderen französischen Philosophen dieser Zeit, wie etwa Althusser, viel stärker präsent. Interessant ist bei diesen Philosophen auch der Einfluss der Existenzphilosophie, durch die ich mich gerade für einen möglichen neuen Soziopod durchbeiße, falls ich irgendwann mal ansatzweise verstehe, was die meinen….
      Das symbolische Kapital ist meines Wissens eher ein Überbegriff für die anderen Kapitalsorten, die ja meistens auf Symbolen beruhen. Ich werd das aber nochmal nachschlagen und -fragen. Danke für diese interessanten Anmerkungen!

    2. Der Gedanke des symbolischen Kapitals ist spannend. Da sind wir auch ganz schnell bei der Memetik und deren Zusammenhang mit Habitus. Vorbilder prägen unser frühes Denken und Handeln. Imitation festigt kontinuierlich den jeweiligen Habitus. Symbole repräsentieren einen Habitus, also auch eine Zugehörigkeit. Symbole kann man kopieren. Damit auch den Habitus?

      1. markusmind

        Hi Patrick,

        man könnte symbolisches Kapital dann auch so verstehen, dass es durch Meme angetrieben wird. Beispiel „Holister“: ich werde dadurch angefuchst, schaue mir die Läden an, kaufe mir die Klamotten und erhöhe dadurch mein symbolisches Kapital.

        Mein Habitus konstruiert und konstituiert sich dann zum großen Teil aus symbolischem Kapital, das ich eher unreflektiert inkorporiere. Das kann dann in die Richtung von Ilija Trojanows Essay „Der überflüssige Mensch“ gehen: „Wer nichts produziert und nichts konsumiert, ist überflüssig“. Dann wäre wieder kulturelles Kapital notwendig, um diese Logik zu durchbrechen. Also: in Bildung statt in Holister investieren.-)

        1. Nun, es gibt ja immer auch Gegenbewegungen. „No Logo“, Konsumkritik etc. Auch das wäre dann wieder symbolisches Kapital mit bewusster Nicht-markensymbolik. Man kann in dem Fall wohl nicht nicht symbolisieren. 😉

          1. Nils Köbel

            Bourdieu hat die Kapitalsorten doch viel differenzierter dargestellt und nicht nur einfach über Symbole und Symbolisieren gesprochen wie Soziologen vor ihm, darin liegt doch der Mehrwert der Theorie: Es geht um den inneren Zusammenhang zwischen ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapital.

          2. Aber er nimmt doch Symbole nicht explizit aus, oder?

          3. Nils Köbel

            Nein, natürlich nicht, jedoch ist die Wirkung von verwendeten Symbolen immer abhängig vom jeweiligen Kapitalvolumen, das eine Person besitzt. Teure Klamotten von Holister bspw, nützen nichts für einen sozialen Aufstieg, wenn mir das entsprechende soziale und kulturelle Kapital fehlt (das war das Beispiel des Gangsters, der trotz Reichtum bestimmte soziale Schichten nicht erreichen kann). Bei ‚NoLogo‘ oder Konsumkritik ist das nicht anders.
            Grüße aus der Küche!
            Nils

  10. […] mit dem Grimmepreis prämierte und von Patrick Breitenbach und Nils Köbel gestaltete aktuelle Soziopod ist (wie immer) sehr empfehlenswert. Es geht um Bourdieu und den Fluch der sozialen […]

  11. Andreas Moser

    Ein sehr guter Roman zu dem ganzen Thema ist Jack Londons „Martin Eden“ über einen Matrosen, der in die gebildete Oberschicht aufsteigen will, vor allem weil er sich in eines dieser Schicht entstammenden Mädchen verliebt hat und weiß, daß sie ihn andernfalls nicht heiraten wird.
    Er paukt und büffelt und studiert, all sein Geld geht für Bücher und Fahrten zur Bibliothek drauf. Er macht enorme Fortschritte, lernt schnell, fängt selbst an zu schreiben.
    Aber dann, selbst hochgebildet, merkt er, daß die Bildung der Oberschicht eigentlich ziemlich oberflächlich ist, und daß ihm jene Oberschichtsangehörigen jetzt zu lagweilig und ja, auch zu intellektuell sind.
    Enttäuscht will er sich seinen alten Matrosenkumpanen zuwenden, die mehr von der Welt gesehen haben und vom Leben verstehen, aber aufgrund seiner Bildung und seines geänderten Habitus und Duktus wird er dort nicht mehr akzeptiert.
    So sitzt und steht er am Ende zwischen allen Stühlen.
    Ein toller Roman, sprachlich wundeschön!

  12. Romi

    Sehr schöne Folge! Hat mir ein paar Dinge noch etwas klarer gemacht. Themenvorschlag: Macht doch mal eine Folge zum bedingungslosen Grundeinkommen. Würde ganz gut in den Kontext bisheriger Themen passen!

  13. AndreasMünster

    Hallo, die Frage nach Bildungsaufsteigern, die ja häufiger in diesem Beitrag auftauchte, bzw. nach dem Wechsel des Mileus oder des Ändern vom Habitus wird zwar von folgendem Autor nicht vollständig geklärt, kommt aber recht plausibel rüber: http://www.sueddeutsche.de/bildung/gespraech-ueber-bildungsaufsteiger-manche-kappen-ihre-wurzeln-komplett-1.1876279
    oder: http://www.youtube.com/watch?v=XRBK1IK6P44

  14. Doc

    Herr Breitenbach, Herr Dr. Köbel,

    vielleicht können Sie mir etwas erklären.

    Sie sprachen beide in diesem Podcast von der Abschaffung des 3gliedrigen Schulsystems als quasi 1. Schritt hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit.

    Es wurde ja in x-Studien diagnostiziert, dass unser Schulsystem selektiert und Kinder aus der Unterschicht oder Kinder mit Migrationshintergrund in der Regel schlechter benotet werden und eben auch in der Regel Empfehlungen für die Hauptschule bekommen.

    Das Milieu reproduziert sich. Alles bekannt.

    NUR, und jetzt kommt meine Frage:

    Ich gehe davon aus, dass in den Grundschulen Deutschlands welche ja hauptsächlich von blutsdeutschen Lehrerinnen bevölkert sind, keine Sozialdarwinistinnen und / oder Rassistinnen strukturell tätig sind.

    Und letztlich sind es eben diese Lehrerinnen welche den Kamil oder den Kevin („Kevin ist kein Name sondern eine Diagnose“ schrieb eine Lehrerin in einem Buch. Oder war der Name Dennis? egal.) schlechter benoten als die Andrea oder die Tina oder den Christian aus akademischen Haushalten oder gut-bürgerlichen Haushalten.

    Und ich finde keine Forschungen welche sich damit beschäftigen. Es wird nur immer wieder aufs neue diagnostiziert dass unser Schulsystem selektiert, aber weshalb die Lehrerinnen so benoten wie sie benoten, und Empfehlungen aussprechen wie sie es eben tun, das ist weitestgehend unklar und nebulös.

    Es stellt sich also die Frage nach der intrinsischen Motivation der Grundschullehrkräfte und vermutlich auch schon der Erzieherinnen in den Kindergärten.

    Die Frage ist ob man diesbzgl. überhaupt ehrliche Antworten erhält, oder ob dann wieder alles zu einem „political correctness Aussagenbrei“ verrührt wird.

    Niemand von den Lehrkräften wird sich hinstellen und sagen:

    „Der Achmed bekommt im Aufsatz aus Prinzip von mir eine Note schlechter als der Christian, weil ich den muslimischen Patriarchismus den man an ihm jetzt schon erkennen kann nicht leiden kann.“

    Wobei es Mädchen aus Unterschichten und mit Migrationshintergrund ja genauso trifft. Von daher ist meine Aussage nicht pauschal zu werten.

    Also, meine Herren:

    wie ist Ihre Meinung und Ihr Ansatz dazu?

  15. Ela

    Danke für die interessante Folge, auch wenn sie schon etwas älter ist, aber ich habe gerade erst angefangen eure Podcasts zu hören.

    Ich habe nur zwei Fragen bzw. Anmerkungen.

    Habt ihr Belege dazu, dass Marx‘ Ziel war, dass alle Menschen in gleichen Wohnungen wohnen? Mir scheint das eine sehr oberflächliche Interpretation seines Gleichheitsbegriffs. Ich habe es immer so verstanden, dass für ihn die ökonomische Gleichheit erst die Voraussetzung dafür schafft, dass Menschen sich frei entfalten und ihre natürliche Ungleichheit ausleben können. Marx‘ Ziel war doch, dass jede*r nach ihren*seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten leben kann. Ist es nicht eher die kapitalistische Klassengesellschaft, die wirkliche Individualität unterdrückt?

    Außerdem ist mir ein paar mal aufgefallen, dass Herr Breitenbach Sprache manchmal eher unreflektiert benutzt. Das soll kein Angriff sein, weil es eben automatisch passiert, wenn ein bestimmtes Framing in unserer Gesellschaft vorherrschend ist, ich würde aber nicht unterschätzen, welchen Einfluss Sprache auf den gesellschaftlichen Diskurs und damit zusammenhängend auch die gesellschaftliche und politische Realität hat. Du hast z.B einmal reiche Geflüchtete mit „das sind die Guten“ beschrieben, oder das bedrohliche Bild des „riesigen Flüchtlingsstroms“ verwendet. Das mag für viele nach nerviger politischer Korrektheit klingen, die heutige Kognitionsforschung würde aber eindeutig sagen, dass das die vorherrschenden Frames stützt und alternative Frames weiter in den Hintergrund rücken lässt. Und bisher hatte ich nicht das Gefühl, dass es euer Ziel ist, reich mit gut gleichzusetzen oder Geflüchtete als Bedrohung darzustellen. Vielleicht könnt ihr zu dem Thema auch mal einen Podcast machen, ein gutes Buch dazu ist z.B. „Politisches Framing“ von Elisabeth Wehling.

  16. M

    19.08.2020
    Hallo,
    auf die Frage: was tun, betreffs der Dilemmata in denen wir stecken (Kapitalismus, Herrschaftsökonomie, div. Gewalttechniken, Unrecht, Umwelt…), möchte ich sagen, mit dem, was Soziopod macht ist sehr viel getan. Dafür vielen Dank.
    Hier eine Frage zu Bourdieu:
    Meiner Meinung nach, entwarf Bourdieu seinen sozialen Raum in einem Koordinatensystem mit einer aufsteigenden Machtstruktur. Auf der linken Seite abstrahierte er das kulturelle-, rechts dagegen das materielle Kapital. (Kapitalsorten können in sich ausdifferenziert werden)
    Ist es nicht so, dass sich diese beiden Grundkapitalsorten antagonistisch gegenüberstehen? Dass es in diesem großen Feld eine grundsätzliche Bewegungsrichtung gibt, nämlich eine aufsteigende in Richtung materielles oberes Eck? Und…, trotzdem ist der Normalfall eine Kollaboration der beiden oberen Hierarchien, auf Kosten der unteren Schichten? Warum frage ich das? Weil sich Gesellschaften in asoziale Verhältnisse manövrieren, die oft nur mit materiell-ökonomischem Interesse begründet werden (Gier nach mehr), jedoch durchaus Hilfestellungen bekommen aus der Kulturellen Bildungsecke. (Siehe Manipulation)
    Und noch ein Gedanke dazu:
    In einer Folge des Podcast kamen die psychologischen Begriffe, Exogen und Endogen, vor. Ist es möglich diese beiden Begriffe wie eine Folie über das Bourdieusche System zu legen, nämlich, das in den beiden o.g. Gegenspielern ein Glaube zu verorten ist, allein, aus sich heraus universale Denk- und Handlungsstrategien entwickeln zu können? (mindestens den, siehe oben, größeren Raum zu beanspruchen. Beispiel, Trump v. Platon.)

    Viele Grüße
    M.

  17. M. M.

    Interessant wäre in 2020 soziale Ungleichheit, Habitus und Klasse aus dem Werk von Didier Eribon hier noch einmalzu diskutieren. Spannend finde ich das z.B. auch hinsichtlich Identität&Bildung die Begriffe Selbst- und Fremdexklusion anzuschauen.
    Gruß
    M.

  18. Jimmy

    Ich habe diese Folge schon bestimmt 20x gehört und kann immer wieder etwas für mich entdecken. Danke erstmal dafür! 🙂

    Diesmal wollte ich noch in Reaktion auf den Filmtipp „Shaft“ ein weiteres Beispiel bringen, das ich aktuell schaue mit Blick auf Bourdieu ganz anders konsumieren kann. Ich weiß nicht, ob ihr „Better Call Saul“ kennt? Das ist eine Netflix-Serie. Saul Goodman ist ein schmieriger Rechtsanwalt aus „Breaking Bad“ und in der Serie wird sein Werdegang beschrieben (ich bin aktuell bei Staffel 2 von 5). Jedenfalls ist Saul bisher genau in diesem „Zwischenraum“, den Patrick hier beschrieben hat.

    *Spoileralarm*

    Er hat einen Hintergrund als Kleinkrimineller und möchte gerne als Rechtsanwalt anerkannt werden, ist aber irgendwie dazwischen gefangen. Die Prozesse der Akzeptanz und Belohnung alter Muster, denen er entfliehen will, Stallgeruch unter den Rechtsanwälten etc. werden unglaublich gut dargestellt. Er arbeitet mit seinen bekannten Methoden um Anerkennung, scheitert immer wieder und versteht nicht warum. Wer „Breaking Bad“ kennt weiß, dass Saul irgendwie einen für ihn passenden Mittelweg findet, mit dem er seine kriminelle Seite und seine Tätigkeit als Rechtsanwalt kombinieren kann. Ich bin total gespannt, wie es sich weiter entwickelt.

    Interessanterweise ist sein Bruder als Rechtsanwalt hoch anerkannt, was zu enormen Konflikten zwischen den beiden führt. Also wirklich sehr empfehlenswert bisher!

  19. C.St.

    Super Folge, fand ich sehr spannend. Eine Anmerkung würde ich allerdings machen wollen bezüglich eurer Darstellung der (monotheistischen ) Religionen im Kontext der Gleichheit, welche durch diese als Gleichheit aller Menschen vor Gott propagiert werde. Zumindest für die christlichen Konfessionen aus der Zeit des Mittelalters und der Frühen Neuzeit möchte ich festhalten, dass diese Gleichheit aller Menschen vor Gott („Sünder“ ausgenommen) sich auf das Jenseits bezieht, nicht auf diese Welt. Katholische Gelehrte des Mittelalters haben die Einteilung der Menschen in Adlige, Priester und Leibeigene als göttliche Einrichtung propagiert, aus der die qualitative Ungleichheit der Menschen (im Diesseits) abgeleitet wurde. Gerade in der Zeit vor dem 11. Jahrhundert war es eine verbreitete Lehrmeinung, dass der (christliche) König ein von Gott eingesetzter Herrscher sei. Wenn es sich dabei um einen Tyrannen handele, sei dieser die Strafe Gottes für die Sünden des Volkes. Und auch der Calvinismus und andere nachreformatorische Konfessionen haben den (wirtschaftlichen) Erfolg eines Menschen im Diesseits als Zeichen dafür gesehen, besonders in der Gunst Gottes zu stehen. Hier wird m. E. geradezu eine Ungleichheit der Menschen vor Gott aus dem Erfolg einer Person im Diesseits abgeleitet. Die Vorstellung einer Gleichheit vor Gott wurde ins Jenseits bzw. in die Transzendenz verschoben (und galt auch dort nur für diejenigen, die den „richtigen“ Glauben hatten). Dies sind nach meinem Verständnis die religiösen Welten, auf die Marx sich bezieht.

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