Soziopod Live & Analog #006: “Umgang mit Vorurteilen im demokratischen Diskurs” in Bielefeld

There is no room for prejudice!?
Zum Umgang mit Vorurteilen in demokratischen Diskursen
Aufnahme vom Dienstag, 23.05.2017 in der Uni Bielefeld.

Eine Veranstaltung der AG UoV, gefördert von der Universitätsgesellschaft Bielefeld.


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5 Antworten zu „Soziopod Live & Analog #006: “Umgang mit Vorurteilen im demokratischen Diskurs” in Bielefeld“

  1. Jörg

    Danke Ihr Lieben, großartig war es und Nils ist zur Höchstform aufgelaufen 😉
    Dieser Podcast hat mir unheimlich viel gebracht. Nicht weil der Gedanke, der mich am meisten aufwühlte, wirklich neu für mich war, sondern weil „Lernen“ eben Wiederholung braucht und dann macht es Klick und eine Einsicht manifestiert sich. Wovon ich spreche, ist die Sache mit der Veränderung der tieferen Schichten von Meinungen, Überzeugungen usw.. Ich glaube nämlich leider auch viel zu sehr an die Kraft der Argumente und erkenne jetzt, dass der Weg über neue Erfahrungen neue Narrative entstehen zu lassen, größeres Veränderungspotential hat.
    Das hilft dann auch gleich bei einer zweiten nicht unwichtigen Sache: wie merkt man sich einmal erworbene Erkenntnisse? Mit einem Erlebnis oder einem einprägsamen Narrativ geht das besser.
    Doof finde ich aber, dass Marketing und Medien genau diesen Mechanismus benutzen, um uns zu manipulieren zu konsumieren („Erlebnis Einkauf“). Naja, alles hat eben auch eine hässliche Seite.
    Danke also, ganz persönlich, für den Schubs in die richtige Richtung.
    Deshalb höre ich den Soziopod so gern, weil er zu neuen oder sich vertiefenden Erkenntnissen durch Assoziation und Reflexion führt.
    Beste Grüße
    Jörg

  2. Sehr geehrter Herr Breitenbach, sehr geehrter Herr Dr. Köbel,

    zunächst möchte ich die Aussage „Es gibt keine herrschaftsfreien Räume.“ kritisch hinterfragen. Ich glaube nicht, dass diese Aussage in der vorgebrachten Weise eine These ist. So wie sie im Gespräch verwendet wurde, entspricht sie nach meinem Verständnis eher einem Mem oder Glaubenssatz, wenn nicht sogar schon einer Ideologie. Um als These durchzugehen, müsste auch akzeptiert werden, dass sie falsifiziert wird. Dies wurde im Gespräch aber deutlich verneint. Wenn ich mit der Vorstellung von Herrschaft an jede Situation herantrete, dann werde ich auch immer ein Verhalten so interpretieren können, dass es meiner Unterstellung von Herrschaft in irgendeiner Form gerecht wird. Sind Sie beide überzeugt, dass auch zwischen Ihnen beiden eine Herrschaft besteht, wenn Sie miteinander sprechen oder eine Folge für den Soziopod aufnehmen? Falls ja, wie sieht dieses Herrschaftsverhältnis aus und falls nein, wie lässt sich dann die getätigten Aussage aufrechterhalten, wenn der Sozipod ein herrschaftsfreier Raum wäre?

    Ein zweiter Punkt, welcher mir in der ganzen Diskussion immer wieder durchscheint und welchen ich als Grundhaltung sehr problematisch sehe: „Ich habe das Recht/die Erlaubnis etwas in/an einer anderen Person zu verändern, ohne deren Einverständnis.“ Letztlich kollidiert dieses Verhalten mit meiner Freiheit als Individuum, selbst entscheiden zu dürfen und meinem Wunsch, so respektiert zu werden wie ich aktuell bin. Wenn jemand ein Problem mit einem Verhalten hat, darf er es gerne äußern. Für mich klingt aber vieles in der Diskussion eher danach, dass Menschen mit einer „falschen“ Meinung/Ansicht/Einstellung so lange zu bearbeiten und umzuerziehen sind, bis sie die „richtigen“ Werte verinnerlicht haben. Worin unterscheidet sich diese Haltung von derjenigen, welcher man Menschen, die irgendwem oder irgendwas gegenüber intolerant sind, vorwirft? Es gibt hierfür ja den gern verwendeten Satz: „Keine Toleranz der Intoleranz.“ Damit wird dann alles gerechtfertigt, um anderen Sichtweisen gegenüber selbst intolerant sein zu dürfen, soweit man der anderen Seite zunächst Intoleranz zugesprochen hat. Für mich besteht hier die Gefahr, dass nur die eigenen Vorurteile verstärkt werden, statt offen auf andere Menschen zuzugehen und sie zu respektieren. Es wurde leider nur kurz aufgegriffen, dass die Zuschreibung eines Menschen als Nazi ebenso ein Vorurteil ist und damit der offene Dialog eher unterbunden wird.

    Mit freundlichen Grüßen
    Martin Finger

  3. Frank Walter

    Vielen Dank für diesen schönen Podcast-Beitrag, wiedermal sehr gut gemacht und auch das Publikum hat zum Gelingen beigetragen. Das Thema finde ich überaus interessant und vielleicht gibt es diesen Jahr wieder einen Auftritt in Würzburg? Außer Lob hätte ich noch ein paar Anmerkungen inhaltlicher Seits. Nachdem vorangegangenem Beitrag zu Luhmann hätte ich gedacht, dass Vorurteile in der Definition als Komplexitätsreduktion betrachtet werden können. Komplexe Inhalte werden durch einfache Annahmen heruntergebrochen und verallgmeinert um so einen einfacheren Umgang mit ihnen zu ermöglichen. So werden Bilder zu Italienern, Franzosen, Engländer usw. geprägt, die zwar klischehaft sind, sich aber gut merken lassen (Die Wiener Völkertafel ist ein etwas älteres gutes Beispiel – aber auch in der Bibel findet sich Voruteile –> etwa Samariter). Komplexitätsreduktionen beherbergen immer Gefahren und deshalb finde ich gerade den Diskurs im Rahmen bzw. im Kontext von Demokratie wichtig und gut.
    Als die Frage aufkam wie/ob man den umgehen soll mit Vorurteilen (der verwehrte Einlass des Clubs), sollte die Antwort nicht schwer fallen. „Langsames Denken“ ist eine Option, die Erhöhung der Komplexität eine andere. Wenn man die Narrative aufbricht, dann gibt es mehr als nur den Dualismus Gut/Böse (auch wenn der aktuelle amerikanische Präsident hier vielleicht nicht zustimmen würde). Zwar glaube ich nicht daran, dass jeder dazu in der Lage ist Rassismus/Vorurteile zu überwinden und seine vorherigen Fehleinstellungen zu überwerfen, aber man muss ignoranten Menschen ja schließlich nicht alles durchgehen lassen.
    Ich wünsche euch alles Gute und freue mich auf die nächste Sendung – Grüße aus Würzburg

  4. JackoRoggenbrot

    Bin noch mitten im Hören, ich finde’s aber sehr spannend bis jetzt.

    Ich persönlich bin mit dem Satz aufgewachsen „Entweder sagst du was oder bist still.“ bzw. „Erst nachdenken, dann reden.“ inzwischen hört sich das sehr nach dem berühmten Wittgensteinsatz „Von was man nicht reden kann, darüber soll man schweigen.“ an, der wohl sehr „männlich“ und sachorientiert ist.

    Ich kann diesen Standpunkt einfach nicht rauskriegen und mir ist jeder suspekt, der „zu viel“ redet und ich selbst erzähle ich auch eher wenig und wenn, dann nicht sehr ausschweifend. Vielleicht ist es auch neid. Hab mich auch immer eher für Filme interessiert.

    Deswegen finde ich Erving Goffmans These „Wir alle spielen Theater“ interssant, die sich gar nicht mit einer tieferen Wahrheit (oder Psyche) abgibt, sondern alles zu einem (strategischen) Schauspiel degradiert.

    Meine Frage ist, ob die Berührung mit der Sprache und das Verhältnis zur Sprache und Sprachbenutzung nicht immens wichtig ist bei der Bildung der Persönlichkeit.
    Manch einer interpretiert Schweigen als Aroganz oder als ein Problem in der Beziehung oder Kommunikation. Ich behaupte, dass ich noch nie ein Problem mit Menschen hatte, als eher damit wie gegensätzlich Sprache benutzt wird (Narrative gegen Tatsachen, wobei keiner Narrative zur Tatsache erhebt und keiner Tatsachen zum Narrativ – zumindest die eigenen nicht). Zur Not mach ich einfach ein Narrativ über mich selbst als Misanthropen auf.

    Danke schon mal für die Folge.

  5. Jens

    Vielen Dank für die spannende Diskussion.

    Eine Begriffsschwierigkeit im Gespräch ist mir besonders aufgefallen: das Verstehen, das auf zwei Weisen verwendet wurde:
    1. Als Bedingung der Kommunikation, sich grundsätzlich austauschen und aufeinander eingehen zu können.
    2. Als komplettes Durchdringen von Menschen oder Sachverhalten, was ja prinzipiell unmöglich ist, aber trotzdem immer wieder als Zielpunkt beschrieben wird.

    Gibt es dazu noch Literaturhinweise? Gerade schreibe ich an einer Arbeit über die Vermittlung von Klangkunst, für die das Verstehen 1, als Möglichkeit des Mitvollzugs, wichtig ist, wobei der Versuch des Verstehens 2, als Durchdringung, in eine Sackgasse und einer Reduktion führt.

    Generell fände ich es interessant, von euch einmal etwas über die Rolle der Künste in gesellschaftlichen Prozessen zu hören. Gerade im Verhältnis von ästhetischen Irritationen zu Wertbindungen, als Antithese zur Komplexitätsreduktion würden mich eure Meinungen sehr interessieren. Im Moment ist ja auch die documenta in Kassel, die sich das Politische und Gesellschaftliche groß auf die Fahnen schreibt, das wäre ja vielleicht ein Anlass. (Und falls ihr Kassel seid, sagt Bescheid)

    Vielen Dank nochmal für die vielen Ideen und Gedanken
    Jens

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