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Sehr geehrter Herr Dr. Köbel, sehr geehrter Herr Breitenbach,
ich teile die vorgebrachte Einschätzung überhaupt nicht, dass zu viel über Werte gesprochen worden sei und zu wenig über die Setzung moralischer Regeln und Normen. Wo ich zustimmen kann ist, dass zu wenig auf rationale Argumentation gesetzt wird und die Vernunft anscheinend keine Rolle mehr spielt. Die Äußerung von Werten erfolgte eben nicht als Einstieg in eine ethische Argumentation. Sondern die Nennung des Wertes ist nur das Feigenblatt, um dahinter die moralische Keule zu verstecken mit der um sich geschlagen wird. Um zusätzlich jede Kritik an einer fehlenden Argumentation zu unterbinden, wird eine emotionale Betroffenheit zur Schau gestellt, damit sich andere Menschen aus Sympathie anschließen ohne sie überzeugen zu müssen.
Für mich wäre es vernünftig zu erkennen, dass es eher darum geht die eigenen Werte zu reflektieren und wirklich in die Position zu kommen ethisch zu denken und zu handeln. Letztlich verstehe ich den kategorischen Imperativ von Kant so, dass ich so handeln soll, dass meine Maxime ein Gesetz sein könnte. Also widerspruchsfrei funktioniert wenn sich alle Menschen genauso verhalten würden. Es geht aber gerade nicht darum, es zu einem Gesetz zu machen. Übrigens hat Kant selbst widersprochen seine Aussage auf die goldene Regel zu verkürzen: https://korpora.zim.uni-duisburg-essen.de/Kant/aa04/430.html
Ich glaube es mangelt uns an Ethik und nicht an Moral. Vor allem fehlt es uns daran zu verstehen, dass es keine Grundlage gibt, durch welche ein Mensch dazu legitimiert wird die Freiheit eines anderen zu beschränken. Genau das ist aber der Kern jeder Moral, denn sie wird auf jemanden angewendet unabhängig von seiner Zustimmung. Insofern gibt es keinen Unterschied zwischen einem Politiker im Bundestag und einem radikalisierten Gläubigen. Beide teilen die gleiche Überzeugung, dass es legitim sei anderen Menschen, gegen ihren Willen, die eigenen moralischen Normen aufzwingen zu dürfen. Aus meiner Sicht zeigt die gegenwärtige Entwicklung, dass der Unterschied zwischen unserer „freien westlichen Welt“ und einem „islamisch fundamentalistischen Gottesstaat“ letztlich nicht grundsätzlicher Natur sind. In beiden zählt im Zweifel die Freiheit des Individuums nichts, nur die Zellen des Gefängnisses sind unterschiedlich gestaltet.
Wenn wir aus der Misere herauskommen wollen, ist für mich der erste Schritt die Freiheit jedes Menschen als grundlegend anzuerkennen und zu akzeptieren, dass niemand in der Position ist diese Freiheit gegen den Willen eines anderen zu beschränken. Also jedem Menschen seine eigene Ethik zuzugestehen und die Entwicklung dieser zu fördern, statt jede Ausbildung einer persönlichen Ethik im Keim zu ersticken, indem eine zwingende Moral mit all ihren Folgen deklariert wird.
Insofern gibt es für mich eine klare Position was die nächste Bundestagswahl angeht. Ich bin aktiver Nichtwähler. Solange ich nicht die Option wählen kann: „Nicht in meinem Namen.“; werde ich weiterhin niemanden legitimieren über mich zu herrschen, indem ich an diesem Ritual teilnehme. Da ich es ebenso ablehne für andere zu sprechen, macht es auch keinen Sinn mich in ein solches Amt wählen zu lassen. Insofern nicht lauter schreien als die anderen sondern ganz klar sagen: Ich lehne die Herrschaft des Menschen über den Menschen in jeglicher Form ab. Dabei ist es egal ob es Demokratie oder Diktatur heißt, es ist letztlich im Kern das Gleiche: Akzeptanz der Versklavung und Beherrschung von Menschen durch andere Menschen.
Liebe Grüße
Martin Finger
Hallo Martin Finger,
du sagst, dass „es keine Grundlage gibt, durch welche ein Mensch dazu legitimiert wird die Freiheit eines anderen zu beschränken“. Die Grundlage ist die, dass du mit anderen Menschen in einer Gesellschaft zusammen leben willst. Deine Freiheit hört dort auf, wo sie an die Freiheit eines anderen grenzt. Teil einer Gesellschaft zu sein, heisst automatisch, auch einen Teil der eigenen Freiheiten aufzugeben.
„Insofern gibt es keinen Unterschied zwischen einem Politiker im Bundestag und einem radikalisierten Gläubigen. Beide teilen die gleiche Überzeugung, dass es legitim sei anderen Menschen, gegen ihren Willen, die eigenen moralischen Normen aufzwingen zu dürfen.“
Der Unterschied liegt darin, dass die einen moralischen Normen fair und humanistisch sind, die anderen nicht. Es steht dir frei, welchen Normen du dich lieber unterwerfen willst. Wenn dir die Normen dieser Gesellschaft nicht passen, steht es dir frei, auszuwandern.
„Wenn wir aus der Misere herauskommen wollen, ist für mich der erste Schritt die Freiheit jedes Menschen als grundlegend anzuerkennen und zu akzeptieren, dass niemand in der Position ist diese Freiheit gegen den Willen eines anderen zu beschränken.“
Das macht keinen Sinn, und das lässt sich leicht zeigen. Wenn du eine Gesellschaft verlangst, in die Freiheit absolut ist, dann darfst du auch keine Verbrecher betrafen. In deiner Welt gäbe es nicht mal die Möglichkeit, ein Verbrechen zu definieren, da ja niemand seiner/ihrer Freiheit eingeschränkt werden darf, und damit alles erlaubt ist.
Wie du siehst, widerspricht deine Position der Vernunft, genauso wie dein Nichtwählertum. Als Nichtwähler überlässt du es gerade anderen, über deine Freiheiten zu entscheiden. Du lebst in dieser Gesellschaft, die von Wählern gestaltet wird, und deren Normen gesetzlich durchgesetzt werden. Das beste, was du machen könntest, ist eine eigene Partei zu gründen, aber da hättest du wenig Erfolg, weil dein gesellschaftlicher Vorschlag einfach keinen Sinn macht.
Sehr geehrter Herr Dr. Dembinski,
letztlich widerspricht meine Argumentation nur Ihren moralischen Vorstellungen und nicht der Vernunft, denn es gibt keine allgemeingültige Vernunft. Sich auf „die Vernunft“ zu berufen ist nur der Versuch, die eigene Moral als die „richtige“ durchzusetzen ohne Argumente vorbringen zu müssen. Sie zeigen mit Ihren Ausführungen genau das Problem welches ich zuvor angesprochen habe. Statt auf Basis einer Ethik mit Werten argumentieren zu können, bringen Sie Ihre Moralvorstellungen zum Ausdruck indem Sie unsere gegenwärtigen Normen als fair und humanistisch bewerten.
Wenn ich Aussagen höre wie dieser: „steht es dir frei, auszuwandern“. Zeigt mir dieses vor allem, wie schwach Ihre Position ist und wie wenig Sie anscheinend in der Lage sind unterschiedliche Wertvorstellungen zu akzeptieren, geschweige denn auf Basis von Werten zu argumentieren. Die Demokratie behauptet doch immer freiheitlich zu sein. Wenn ich frei leben möchte, warum soll ich dann auswandern? Mit solchen Argumenten erweisen Sie der Demokratie einen Bärendienst und bestätigen meine Sichtweise, dass es nur um Herrschaft und Macht geht und die Demokratie die Freiheit des Menschen genauso unterdrückt wie jede Herrschaftsform vor ihr.
Welches Verbrechen können Sie definieren, welches verübt werden könnte ohne die Freiheit eines anderen Menschen zu verletzen? Welche Handlung sollte Ihrer Ansicht nach bestraft werden, wenn alle beteiligten Personen freiwillig zugestimmt haben? Natürlich endet meine Freiheit dort, wo die Freiheit eines anderen beginnt. Aber deswegen wird meine Freiheit nicht eingeschränkt, sondern im Gegenteil. Meine Handlungsfreiheit nimmt zu. Denn nun kann ich mit einer anderen Person in Kontakt treten und gemeinsam Wege des Umgangs miteinander finden oder es bleiben lassen und jeden so leben lassen wie er es möchte.
Sie können sich nicht auf Ihre Freiheit berufen, um die Freiheit eines anderen zu beschränken. Statt Vernunft würde an dieser Stelle schon einfache Logik genügen, um zu erkennen, dass Sie Freiheit nicht in dieser Form verwenden können ohne diese selbst aufzugeben. Denn wenn Sie die Freiheit eines anderen nicht respektieren, warum sollte er es dann Ihnen gegenüber machen und Sie gewähren lassen? Sie verwechseln Freiheit mit Willkür oder Verantwortungslosigkeit oder Herrschaft. Aus meiner Erfahrung neigen gerade Menschen, deren Verhalten durch Moral statt durch Ethik bestimmt wird, zu solchen Vorstellungen. Weil sie von sich auf andere schließen und da sie selbst nicht in Werten denken, fällt es ihnen schwer zu verstehen, wenn ein Mensch seine Handlungen auf Grundlage seiner persönlichen Ethik und der dort verankerten Werte auswählt.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Finger
Lieber Herr Breitenbach, lieber Prof. Dr. Köbel,
wieder mal eine super tolle Folge! Erstmal allgemein ein dickes Lob. Ihr bringt genau die richtige Mischung aus flapsig und professionell, aus stilvoller Vorbereitung (wie man an dieser Seite sieht und den tollen Einspielern zum Beginn jeder Sendung) und Improvisation. Bitte weiter so!
Ich finde, was ihr tut ist unglaublich wichtig. In dieser Folge habt ihr mir wieder total aus dem Herzen gesprochen. Die Vernunft zusammen mit Prinzipien wie der goldenen Regel ist das einzige wirksame Werkzeug mit dem wir unser Zusammenleben fair gestalten können. Es ist wichtig, dass das jemand erklärt (und lebt), und zwar in einfacher Sprache.
Journalisten und Politiker beschwören gern unsere gemeinsamen Werte, aber die moralischen Prinzipien dahinter werden zu wenig angesprochen (1). Wer – außer Fachleuten – kennt sich denn wirklich aus mit Moralphilosophie, Rationalität und der Aufklärung? Wie so oft in Deutschland wird davon ausgegangen, dass die Menschen schon davon wissen. Wie man sieht, ist das für einen relevanten Teil der Bevölkerung nicht so. Ich habe zwei Jahre in den USA gelebt, und dort wird viel weniger davon ausgegangen, dass es solche „Selbstverständlichkeiten“ gibt (2). Das begründet sich daraus, dass die USA ein Einwanderungsland sind, und die gesellschaftlichen Werte den Einwanderern immer wieder vermittelt werden müssen.
Ich habe kürzlich „The Moral Arc: How Science Makes Us Better People“ von M. Shermer gelesen, welches ich jedem vernunftbasierten und an Moral intessierten Menschen nur Wärmstens weiterempfehlen kann. Vielleicht besprecht ihr das Buch ja mal in einer zukünftigen Folge. Wenn man an den aktuellen Krisen in der Welt verzweifelt, gibt einem dieses Buch etwas Hoffnung. Es belegt mit Fakten, dass es doch einen moralischen Fortschritt gibt, wenn wir die Welt mit etwas räumlichen und zeitlichen Abstand betrachten. Es stellt auch einen klaren Zusammenhang her mit den Fortschritten in der allgemeinen Bildung seit der Aufklärung. Das Buch verbreitet einen faktenbasierten Optimismus, zeigt aber auch die Pflicht der Gesellschaft, Bildung und Aufklärung weiter voranzutreiben, und die Pflicht jedes Einzelnen, seinen Beitrag zu leisten.
Den Feinden von Gerechtigkeit, Freiheit und Fairness sei gesagt, dass sich auch unser wirtschaftlicher Erfolg auf moralischen Prinzipien und deren gesellschaftlicher Einhaltung begründet. Man kann schlicht nicht erfolgreich in einen Staat oder ein Unternehmen investieren, in dem Korruption herrscht, weil man befürchten muss, sein Geld zu verlieren. In einer globalisierten Wirtschaft gehen die Investitionen dorthin, wo man sich planbare Gewinne verspricht, also in stabile und korruptionsarme Gesellschaften. Korruption auf allen Ebenen lässt sich nur bekämpfen, wenn es einen starken gesellschaftlichen Konsens für moralisches Handeln gibt, und die persönliche Freiheit dazu. Nur dann funktioniert die Justiz und die investigative Presse, und man kann auf Whistleblower hoffen.
Viele Grüße,
Dr. Hans Dembinski
Fußnoten:
(1) Solang nur allgemein von Werten die Rede ist, kann sich jeder Wähler angesprochen fühlen, aber wenn es konkret wird, könnte der Wähler ja anderer Meinung sein.
(2) Ich könnte an den USA auch viel kritisieren, aber wenn man sich einer fremden Kultur öffnet, nimmt man auch positive Dinge mit.
Hallo,
ihr sprecht so oft von Habermas (z.B. in den Folgen zu Erziehung, Luhmann, Bourdieu, Foucault, Jahresrückblick 16) – wär’s da nicht mal an der Zeit, auch über ihn eine Folge zu machen?
Klar, ist viel Einarbeitung, schwierige Sprache usw., aber gerade deswegen würde ich mich drüber freuen. Eure Folgen waren immer ein guter Einstieg in die Thematiken, die ihr behandelt und ohne Eure „Hilfe“ ist Habermas (zumindest für mich) nicht gerade leicht beizukommen.
Danke & viele Grüße
thomas
Ich höre die Folge Ende 2020 und lach mich krumm und schief, weil 2015 und 2016 so beschissene Jahre gewesen sein sollen😂😂
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