Soziopod #051: Der Baum des Idealismus ist eine (Johann Gottlieb) Fichte


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12 Antworten zu „Soziopod #051: Der Baum des Idealismus ist eine (Johann Gottlieb) Fichte“

  1. Bach

    Ich finde schon die Behauptung, dass das Gute durch die Tat entsteht, sehr fragwürdig. Man kann auch in besten Absichten falsch handeln. Im Volksmund: Gut gemeint ist nicht gleich gut. Es braucht das Nachdenken, um gut zu handeln. Sei es, um wie bei Semmelweis herauszufinden, dass der Arzt sich die Hände waschen soll, wenn er zu einem neuen Patienten geht.

    Safranski ist schon recht alt. Ich glaube, von ihm kann man keine neuen Theorien erwarten.

    1. Herr Breitenbach

      Das Beispiel „Gut gemeint ist nicht automatisch gut gemacht“ ist doch eher ein Argument um gerade die Handlung als solche zu bewerten und eben nicht die Absicht oder Absichtserklärung. Ich habe Fichte auch nicht so verstanden, dass das Gute automatisch durch jedwede Tat erfolgt, sondern dass die Handlung an sich wesentlich wichtiger ist als nur über das Gute zu sprechen.

      1. Bach

        Bei euch klang es so, dass jede Tat wichtiger ist als das Nachdenken darüber. Und viele interpretieren es noch heute so. Hauptsache Aktionismus, Hauptsache irgendwas machen. Ich würde meine Hand für Fichte nicht ins Feuer legen- hätte er nicht auch zu den Semmelweiskritikern gehört? Semmelweis war ja unbequem, er hat die damaligen Konventionen in Frage gestellt und die Kritik war keine Kritik durch Emphase.

        Wahrscheinlich bedarf es der Einheit von Tat und Nachdenken und vor allen der Fähigkeit, sich stets selbst zu befragen: Tut man das Richtige und glaubt man nur, dass man das Richtige tut, weil es das Gewissen sagt? Das kann bedeuten, dass man etwas lässt, gerade in der Medizin aktuell ein wichtiges Thema. Gerade bei der Entwicklungshilfe sieht man doch, wie schlecht falsch durchdachte Hilfe sein kann.

        1. Herr Breitenbach

          Ich habe das jedenfalls anders interpretiert. Beispielsweise sich als christlich bezeichnen aber nicht christlich handeln. Keine Ahnung wie Fichte das damals gemeint hat. Aber wir als Soziopod sind alles andere als Fans von unreflektiertem Handeln und blinden Aktionismus. Und ich bezweifle dass Fichte von undurchdachten Aktionismus sprach.

          1. Bach

            Was ist christlich handeln, darüber sind sich die Christen selbst nicht einig und man kann Stellen in der Bibel für dieses und jenes finden. Man muss sich nur mal anschauen, dass die Stelle mit der anderen Wange höchst taktisch geprägt war.

    2. Kästner: Es gibt nichts Gutes außer man tut es

  2. Torsten

    Schöne Folge. Allein schon deshalb, weil Ihr euch mir Zeit lassen konntet.

    Habe vor Jahren an einem Script gearbeitet, in dem ich große philosophischen Ideen mit moderne Physik verband. Schon Erstaunlich. Schmeißt man Heraklits Logos, Platons Anamnesis, Fichtes bzw, Hegels Weltgeist, die Upanishaden & Quantenphysik in einen Topf und rührt alles einmal kräftig durch, kommt ein wunderbar kohärentes Universum heraus.

    Fichte ist z.B. insofern konsistent, als das „Alles ist Eins“ auch in der Quantenphysik mit der „Wellfunktion des Universums“ beschrieben wird. In den indischen Veden spricht man da von „Alles ist Bewusstsein“ (Bra̱hman) . Vielleicht ist das Universum ja ein Wackelpudding aus Bewusstsein. Aus diesem ist dann alles geformt, auch wir. Und da wir alle dieser Pudding sind, sind wir keine getrennten Indivituum sondern nur eine andere Perspektive des einen Bewusstseins.

    1. Herr Breitenbach

      Interessant! Danke dafür!

  3. Nini

    Eine Frage, die mir heute früh beim Hören eurer (wie immer wunderbar inspirierenden) Folge durch den Kopf schoss: Was genau ist denn überhaupt „das Gute“ bzw. was konstitutiert unser Gewissen? Das wurde im Kommentar oben in Bezug auf christliches Handeln bereits angedeutet. Moral oder Gewissen sind uns – meiner Meinung nach – schließlich nicht angeboren, sondern zu weiten Teilen kulturell anerzogen.

    Natürlich verfügen wir über die Fähigkeit zur Empathie, welche uns motiviert, anderen zu helfen bzw. ihnen kein Leid zuzufügen usw. – rationalisiert im kategorischen Imperativ. Allerdings ist auch Empathie, wie unzählige Beispiele grausamen menschlichen Verhaltens zeigen, abhängig von der sozialen und vielleicht auch biologischen Konstitution einzelner Menschen.

    Das Gewissen ist also keine unabhängige Variable, wie es in eurer Darstellung zu Fichtes Philosophie vermittelt wird (leider habe ich sein Werk selbst nicht gelesen und kann mich hier deshalb nur auf das von euch Gesagte bzw. mein Verständnis dessen beziehen).
    Das trübt die rosa Brille leider etwas, obwohl ich mich in vierlerlei Hinsicht durchaus selbst als Idealisitin bezeichnen würde. Ich denke, der Anspruch an sich selbst „Gutes“ zu tun, ist definitiv unterstützenswert, dabei sollte jedoch immer auch die intensive Reflektion erfolgen, was ich für „gut“ halte und aus welchen Gründen.

    Übrigens gibt es, wie von Torsten erwähnt, ganz ähnliche Denkansätze schon seit Jahrtausenden in nicht-westlichen Philosophien und Religionen. Ein kleiner Exkurs in diese Richtung wäre sicher spannend gewesen. Allerdings ist mir natürlich auch bewusst, dass dies die Vorbereitsungszeit der Folge noch einmal deutlich in die Länge gezogen hätte, von daher sei diese Leerstelle verziehen… 🙂

    Zum Abschluss noch ein großer Dank für den Aufwand und die Mühen, die ihr euch macht! Der Soziopod ist immer wieder bereichernd, regt zum Nachdenken an und rüttelt an den Zweigen meines eigenen kleinen geistigen Sträuchleins…

  4. Sebastian

    Hi Männer,

    super Folge! Mir hat ein bissle Fichtes Hauptwerk gefehlt, die Wissenschaftslehre, aber auch eure besprochenen Werk nimmt Einiges davon auf.

    Ich hab mal ne andere Frage, weil Ihr nun häufiger Mal zeitgenössische Philosophen ansprecht.

    Haltet Ihr Precht tatsächlich für einen Philosophen? Man muss natürlich keinen eigenen großen Wurf veröffentlichen, aber nach meiner Ansicht ist der wenn überhaupt ein Historiker mit philosophischem Hintergrund, oder ein interessierter Hobbypolitiker. Darüber hinaus: In der abendländliches und indischen Antike und auch im heutigen Indien zählt die Praxis wesentlich zum Philosophieren dazu (Antike: Gymnastik, Indien: Yoga). All das fehlt doch bspw. auch bei Precht.

    Was ist bei euch eigentlich ein Philosoph. Ich könnte mir nämlich denken, dass sich viele „echte“ Philosophen nicht gerne mit Precht etc. vergleichen lassen wollen…

    Liebe Grüße Sebastian

  5. Marek

    Hallo,

    superschöne Folge über eine Philosophen / eine Philosophie über den ich (bis auf natürlich den Namen) nicht wirklich viel wusste.

    Ich hätte eine kleine Bitte an Euch:

    Es braucht ja keine ewig langen Shownotes aber könntet ihr die jeweils besprochenen Hauptwerke kurz verlinken. Ich höre Euch sehr oft beim wandern / joggen und das würde ein nachhören nur um einen Buchtitel zu finden unnötig machen.

    Vielen Dank für die tollen Folgen
    Marek

  6. astwerk

    Danke für die vielen ungemein fundiert/tiefen und durch eure persönlichkeiten subjektiv/streitbar/humorvollen dialoge!
    Die begeisterung für den idealismus von Fichte (kannte ich bisher nur vom namen) kann ich sehr gut nachempfinden. Das mutige bekenntnis zum rosinenpicken kann ich dir, Doktor Köbel, nur wärmstens empfehlen. Denn die vielen bäume der erkenntnis enthalten zwar immer auch irrtümer, aber auch ihre (relativen) wahrheiten. Die absolute wahrheit kann man nicht aussprechen – so wie es Wittgenstein, der Buddhismus und das Judentum lehren. Für die welt als ganzes gibt es halt keine landkarte, nur ausschnitte.
    Wie man einen wald aus vielen schönen stimmig bäumen gestaltet, das hat mir Ken Wilber auf bisher einzigartige Weise vermittelt – wäre mein lesetipp falls ihr seine bücher nicht eh schon kennt. Da würde Herr Breitenbach zum beispiel sicher was finden warum in Fichtes gewissen ohne weiteres antisemitismus platz fand.
    In dankbarer verbundenheit, ich freu mich wirklich auf alles kommende!
    astwerk

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