Soziopod #031: Demokratie: Hört uns ruhig ab! Wir sind der Diskurs!

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32 Antworten zu „Soziopod #031: Demokratie: Hört uns ruhig ab! Wir sind der Diskurs!“

  1. borg drone

    @SM

    Es gibt auch Punkte die lassen sich(derzeit) nicht verhandeln ….vielleicht sollten sie das auch nicht (ist mir selbst noch nicht klar) Wenn Hooligans sich zum Kloppen nach dem Fußball treffen, ist das auch nicht verhandelbar.

    1:18

    Was ich aus der Aussage nicht herleiten kann: Wo schränkt jemand der den Holocaust verleugnet die Meinungsfreiheit des Anderen ein?

    1:28

    Demokratie = Diskurs ohne Abhängigkeiten….das wäre ein Argument für das BGE

    1:34

    Habermas wählen? Jemand der den NATO-Krieg gegen Jugoslawien gerechtfertigt hat und nun im Fortschreiten der Aufklärung gegen noch herrschende Kirchenregeln für eine gesamte Gesellschaft meint

    „…die säkularen Bürger ihren religiösen Mitbürgern auf Augenhöhe begegnen müssen* Na gute Nacht

    1:59

    Deine „Prophezeiung“ zur Überholung in der Demokratisierung Chinas teile ich. Die Frage…..ist es denn nicht schon soweit?

    Entweder habe ich die Passage überhört, aber ich hatte die Hoffnung, dass sich hier mal die Definitionsschwerpunkte überprüft und diskutiert werden. Harte Faktoren wären da:

    Ein Staat gilt als demokratisch, wenn die folgenden Kriterien zutreffen:

    Es gibt einen Demos (das Volk), welcher politische Entscheidungen in kollektiven Prozeduren (Wahlen oder Abstimmungen) trifft.

    Das Volk ist der souveräne Träger der Staatsgewalt (Volkssouveränität). Es gibt sich selbst (meist durch eine Verfassung) ein politisches System (verfassungsgebende Gewalt).

    Im Fall von Nationalstaaten müssen diese souverän sein: Demokratische Wahlen sind nutzlos, wenn eine Autorität von außen das Ergebnis überstimmen kann. Ausnahmen kann es im Falle der Suzeränität geben (Beispiel Island).

    Ein unverzichtbares Merkmal einer Demokratie ist schließlich, dass durch wiederkehrende, verbindlich festgelegte Verfahren die Regierung ohne Revolution wechseln kann. In vorwiegend direkt-demokratischen Systemen entscheidet das Volk zum Beispiel mittels Volksabstimmungen und kooperativer Planung in Sachfragen selbst. In repräsentativen Demokratien werden hierzu von den Bürgern Repräsentanten gewählt (oder in der Vergangenheit auch per Los bestimmt), die die Herrschaft ausüben sollen.

    Garantie der Grundrechte jedes Einzelnen gegenüber dem Staat, gegenüber gesellschaftlichen Gruppen und gegenüber anderen Einzelpersonen

    Gewaltenteilung zwischen den Staatsorganen Regierung (Exekutive), Parlament (Legislative) und Gerichten (Judikative)

    Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit

    Stattdessen wird auch hier mit dem Begriff so gearbeitet als wäre es ein Fakt….Schade

    1. lokke_aus_HH

      war passim alles drin, aber stimmt eine klare aufzählung wäre besser gewesen

  2. joergy

    Große Klasse!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

    Zunächst einmal ein fettes, fettes Lob für Euren 31. Podi. Ein heisses Eisen und Ihr habt es souverän angefasst. Dem tut die persönliche Note von Patrick keinen Abbruch, auch differenzierte subjektive Meinungen wohldosiert regen den Diskurs an.

    Sehr gefreut hat mich das pragmatische Auseinandernehmen der Honoratioren durch Patrick, denn es ist z.B. tatsächlich verhandelbar, wo die Freiheit des Andersdenkenden beeinträchtigt wird. Vordergründig klingt die Maxime gut, aber praktisch funzt sie leider nicht…

    So, aber jetzt zur Kritik. Gefehlt hat mir entschieden die Schweiz. Ich bin kein Schweizer und ich sympathisiere auch nicht mit Ihnen. Aber, haben die dort nicht schon eine alte Form der Demokratie? Wikipedia sagt: http://de.wikipedia.org/wiki/Direktorialsystem

    Und dann gibt es da noch, was mich brennend interessiert die http://de.wikipedia.org/wiki/Konkordanzdemokratie

    Wenn ich es richtig verstehe, gibt es dort nicht den verheerenden Fraktionszwang unserer Demokratie. Sondern die Möglichkeit, in Vertretung seiner höchst eigenen Gruppe, eine von der Parteilinie abweichende Meinung zu vertreten. Überhaupt finde ich die Parteien-Orientiertheit unserer Demokratie nicht mehr zeitgemäß. Oder wie sollte denn eine sozialdemokratische oder konservative Position zum Thema Netzneutralität oder Kernkraftwerke aussehen? Kernkraftwerke „bewahren“, naja? Ist „Neutralität“ unsozial oder konservativ? Das passt alles nicht mehr.

    Eine grobe Ausrichtung in der Frage mehr oder weniger Staat ist parteipolitisch akzeptabel, aber – verdammt noch mal – in extrem vielen Einzelfragen mögen unsere politischen Vertreter doch immer wieder aufs neue sich die Meinung Ihrer Wähler im jeweiligen Wahlkreis abholen!

    Herzlichen Dank für Euer Engagement
    anyway
    Jörg Friedrich aus Ettlingen

    1. Sapere Aude

      Zur Konkordanzdemokratie: Auch das politische System der Bundesrepublik beinhaltet konkordanzdemokratische Elemente, die einen institutionalisierte Zwang zu Einigung und Kompromiss beinhalten, wie beispielsweise den Vermittlungsausschuss im Gesetzgebungsverfahren.

  3. unser Jura Prof. hat es als ehem. Boxer schön auf den Punkt gebracht: ›die eigene Freiheit endet 5cm vor der Nase des Nächsten.‹

    Eine Faust 5cm vor der Nase ist schon eine gewaltige Bedrohung. Aber es ist sicher genug, dass der Schlag nicht aus Versehen durch geht. Zumindest wenn der/die Gegenüber still hält.

    1. LuckyLuke

      So wie steht es denn mit der Freiheit türkische/arabische Frauen in D. anzumachen ohne mit dem Geklüngel der Spiegelwichser in Konflikt zu kommen? Wo ist da die Freiheit in diesem Lande? Es zeigt das schöne Bild der Doppelzüngigen linken Gutmenschen, die diese Parallelgesellschaften noch ausbauen wollen!

  4. Vielen Dank für den gelungenen Diskurs. Die Gefahren, die sich aus einer zu direkten Demokratie ergeben hat Amy Chua etwas vereinfachend, aber knackig aufgezeigt. (http://en.m.wikipedia.org/wiki/World_on_Fire).
    Auch die unbeobachtete Demokratisierung in China wurde da (schon 2003) angesprochen.

    Die These des Buches ist knapp formuliert: Freie Märkte und freie Wahlen auf nationaler Ebene sind ein Nährboden für Rassismus. Die Verfassung in einem Land muss erst wehrhaft, ein Minderheitenschutz gegeben und der Markt geregelt sein.

  5. Taimou

    Der delikateste Punkt in der Diskussion liegt für mich in dem angesprochenen Paradoxon: „Toleranz gegenüber allen, außer den Intoleranten.“

    Da stellen sich mir doch ein paar Fragen: Was heißt es konkret, den Intoleranten nicht zu tolerieren? Nicht mit ihm diskutieren? Ihn verbal sanktionieren? Diskreditieren? Freiheit entziehen?

    Wer entscheidet, ab wann jemand nicht mehr tolerierbar ist? Wo liegt die Grenze? Ein Holocaust-Leugner darf nicht toleriert werden, weil er das demokratische System gefährdet. Warum nicht auch der Klima-Leugner, der schließlich unser aller Zukunft gefährdet? Warum nicht jeder Mensch, der eine absolute Wahrheit für sich beansprucht – und damit intolerant gegenüber allen anderen Meinungen ist?

    Denkt man konsequent weiter, könnte sich die Demokratie theoretisch auch auf diesem Weg abschaffen.

    1. Nils Köbel (aka Doktor Köbel)

      Hallo,
      das ist ein interessanter und wichtiger Punkt. EIn Holcaust-Leugner darf nicht deshalb nicht toleriert werden, weil er die Demokratie gefährdet, sondern weil er die Würde der Opfer und der Hinterbliebenen
      missachtet (ein aus der historisch einmaligen Grausamkeit des deutschen Judenmordes heraus begründeteter Sonderfall).

      Davon abgesehen darf jeder Mensch in einem Rechtsstaat eine Meinung zu einem bestimmten Thema äußern (z.B. Klimawandel). Wenn allerdings das Prinzip der Toleranz selbst geleugnet wird, indem man die Demokratie und die Grundrechte abschaffen möchte, darf die wehrhafte Demokratie dagegen vorgehen und muss solche Einstellungen und Haltungen nicht unbegingt dulden.

      1. Pyromanic

        Ich persönlich finde den Begriff „Toleranz“ an sich schon problematisch: „Toleranz endet da, wo Intoleranz beginnt.“
        In meinen Augen ist Toleranz nur in einem Machtgefälle möglich, indem ich die fremde Meinung eines anderen Menschen ‚dulde‘. Ich setze meine Meinung als absolut, und ich erlaube (!!!) dem anderen seine eigene, andere Meinung zu haben. Ich muss sie dabei nicht einmal unbedingt zur Kenntnis nehmen oder mir die Argumente anhören, sondern ich gewähre pauschal dem anderen seine Gedanken. Ich setze mich also als höherwertig zum anderen und muss mich nicht (ich kann zwar, aber ich bin ja nicht gezwungen) mit der fremden Meinung auseinander setzen. So etwas nennt dann man Ignoranz, weshalb ich den Begriff „Toleranz“ immer mit „Ignoranz“ gleich setze.

        Als Gegenbegriff zur Toleranz gilt die Intoleranz, die genau das gleiche Problem hat: Da meine Meinung die absolute Wahrheit (TM) ist und deine Meinung diese Wahrheit (TM) zerstören würde, muss ich deine Meinung pauschal bekämpfen ohne mich genau damit auseinander setzen zu müssen.

        Eines der Hauptprobleme von Toleranz ist gerade die starke individuelle Subjektivität, die gefordert ist. Toleranz ist kein absoluter und schon gar kein relativer, sondern ein rein subjektiver Begriff. Das macht ihn in meinen Augen für ein solch heikles Thema wie Demokratie eher unbrauchbar, da Staaten als sehr große Gruppe von Menschen nicht mit subjektiven Begriffen in für alle Menschen wichtigen Bereichen (wie Grundgesetz, usw.) hantieren können. Dazu braucht es relativ feststehende Begriffe, wie moralische Normen (die gesellschaftlichen, aber nicht individuellen Normen unterliegen).

        1. Nils Köbel

          Hallo Pyromanic,

          Toleranz ist als ‚Duldung‘ einer anderen Meinung gewissermaßen das Mindestmaß an demoktratischer Begegnung und wird daher institutionell geschützt. Wenn jemand schon nicht bereit ist, auf Augenhöhe jemandem zu begegnen (was natürlich viel besser wäre), so muss er/sie doch auf alle Fälle andere Meinung ertragen und dulden, das ist das Mindeste, was erwartet werden muss. Das heißt ja nicht, dass höhere Formen der Anerkennung wie etwa Akzeptanz dadurch ausgeschlossen und unerwünscht wären, im Gegenteil.

  6. miro

    Wieso kann man denn nicht sagen, dass Snowden ein Held ist? Laut Wikipedia ist ein Held „eine Person mit besonders herausragenden Fähigkeiten oder Eigenschaften, die sie zu besonders hervorragenden Leistungen, sog. Heldentaten,
    treiben.“…“Seine heldischen … Fähigkeiten können
    von körperlicher Art … oder auch
    geistiger Natur sein (Mut, Aufopferungsbereitschaft, Einsatzbereitschaft
    für Ideale oder Mitmenschen).“ Im Fall von Snowden trifft das letztere zu, er hat sich offensichtlich für seine Mitmenschen eingesetzt.

    Greenwald hat auch gesagt: “Snowden has enough information to cause harm to the U.S. government in a single minute than any other person has ever had“ und “The U.S. government should be on its knees every day begging that
    nothing happen to Snowden, because if something does happen to him, all
    the information will be revealed and it could be its worst nightmare.”

    Also hat Snowden nicht vor, den USA einfach Schaden zuzufügen, sonst hätte er gleich alles veröffentlicht oder gar einfach an jemanden verkauft. Er sagt auch, dass er will, dass die USA Erfolg haben. Deswegen hat er sehr gut bedacht, an wen er die Informationen weitergibt und welche Informationen zuerst veröffentlicht werden sollen und welche nicht. Offensichtlich ist er kein Schurke. Wenn man dazu noch bedenkt, dass er jetzt 30 ist und wahrscheinlich nie wieder ein normales Leben führen kann, hat er schon sehr viel geopfert.

    Wer also behauptet, man kann nicht so einfach sagen, dass er ein Held ist, müsste das schon besser begründen 😉

  7. miro

    Viele Menschen sagen ja, sie haben nichts gegen Überwachung, weil sie nichts zu verbergen haben. Aber die meisten würden doch sicherlich nicht einem Fremden ihre Kontoauszüge, E-Mails, private Fotos zeigen. Warum empfindet man denn sowas ganz anders? Gibts es dafür irgendeine psychologische Erklärung? Ich glaube, genau dieses Phänomen spielt gerade eine große Rolle in der Tatsache, dass Deutschland schon längst zu einem Überwachungsland geworden ist und fast niemand sich dagegen wehrt. Kaum eine Partei außer vllt den Piraten macht sich den Datenschutz und den Überwachungsskandal gerade zum Wahlkampfthema. Die SPD zB hat ja schon angekündigt, dass man das nicht auf ihren Plakaten sehen wird. Wenn Politiker sich aufregen, dann geht es meistens um Wirtschaftsspionage oder Ausspionieren von Regierungen. Ich finde das wirklich traurig, denn die Rechte eines einzelnen Menschen sollten doch über den wirtschaftlichen und politischen Interessen stehen, zumindest in einer Demokratie. Man fühlt sich schon fast wie in einer Diktatur, wo übergeordnete Ziele über den Rechten eines Einzelnen stehen. Warum ist das so?

    1. Sapere Aude

      Hier die Antwort eines Autors, auf eben jene Frage. Ich bin wohl der erste und letzte Soziopod-Hörer, der es wagt einen Artikel der BILD zu posten, doch es beantwortet die Frage eben aus der Perspektive eines Reporters. Darüber hinaus, schließt es wunderbar an die Frage nach Toleranz und den Umgang mit abweichenden Meinungen an. Voila, ich habe doch tatsächlich eine Rechtfertigung gefunden 😀

      Warum Edward Snowden für mich KEIN Held ist!

      Noch niehabe ich so viele, so wütende Mails und Tweets bekommen wie auf meinen BILD-Kommentar „Snowden ist kein Held“. Die Menge hat mich weniger überraschtbals der aggressive Ton.

      Ich solle mich „schämen“, ich sei „bescheuert“, eine „verlorene Seele“, ein „Dummschwätzer“, „ahnungslos“ – und das sind noch die freundlichsten Äußerungen.

      Der Ton wundert mich schon ein bisschen, schließlich habe ich nur meine Meinung geäußert zu einer Geschichte, bei der es um Meinungsfreiheit und die Freiheit der Gedanken geht.

      Viele dieser Beschimpfungen sind anonym, und persönlich finde ich, dass Anonymität keine Meinung haben kann. Ich glaube nicht, dass jemand vor mir so viel Angst haben müsste, dass er sich nur anonym äußern kann.

      Ich kann durchaus nachvollziehen, warum viele Menschen Edward Snowden für einen Helden halten – nur bin ich eben anderer Meinung. Da 140 Twitter-Zeichen leider nicht ausreichen, um den Fall Snowden zu diskutieren, antworte ich hier auf die Vorwürfe, auch wenn sie anonym sind.

      „Snowden ist dafür verantwortlich, dass jeder Terrorist der Welt in den letzten Tagen sein Handy weggeworfen, seine E-Mail-Adresse abgeschaltet hat“, habe ich in meinem Kommentar geschrieben. Nun hält man mir entgegen, dass Terroristen auch schon vorher wussten, dass ihre Telefone, ihre E-Mails überwacht werden. Das ist natürlich richtig. Richtig ist aber auch: Der beliebteste Trick von Terroristen
      und Fundamentalisten sind Pre-Paid-SIM-Karten, die oft nur wenige Male benutzt und dann weggeworfen werden – bevor man sie einer Person, einem Terroristen zuordnen könnte.

      Datenschützer und Bürgerrechtler haben einen neuen Helden: Edward Snowden, der die Überwachungs-Exzesse enthüllt hat. mehr…

      Bei diesem Trick scheitert die gezielte, personenbezogene Überwachung von Handykommunikation. Anders ist es bei einer Komplett-Überwachung.

      Folgendes Beispiel: Der pakistanische Geheimdienst ISI nimmt in Peshawar einen Terror-Verdächtigen fest und stellt drei SIM-Karten sicher. Die Nummern übermitteln die Pakistanis an ihre amerikanischen Verbündeten. Die Amerikaner können nun ohne große Mühe sehen, mit wem der Mann von seinen verschiedenen SIM-Karten aus telefoniert hat, weil sie die Verbindungsdaten aller Telefonate in Peshawar zuvor aufgezeichnet haben. So entsteht sehr schnell eine sehr konkrete „Netzwerkanalyse“ von einer möglichen Terrorzelle.

      Ein anderes Beispiel: Durch das NSA-Programm und die Programme anderer US-Geheimdienste war es möglich, in kurzer Zeit alle Gesprächspartner und Kontakte der Attentäter vom Boston-Marathon zu identifizieren.

      Natürlich wussten Terroristen schon immer, dass ihre Telefone überwacht werden. Deswegen haben sie Telefone benutzt, von denen sie glaubten, dass man sie ihnen nicht ZUORDNEN kann.

      Genau diese Zuordnung ist durch Programme wie Edward Snowden sie aufgedeckt hat aber möglich.

      Ich persönlich halte das in vielen Fällen für sinnvoll. Ich verstehe aber auch, dass dieser „Schleppnetz“-Ansatz von Datenüberwachung vielen Menschen unheimlich ist.

      Ob beim Thema Terrorismus Bürgerrechte wichtiger sind als Sicherheit – das ist eine sehr komplizierte Debatte.

      US-Präsident Barack Obama zum Beispiel gab darauf zwei komplett gegensätzliche Antworten. „Wir weisen den Gedanken zurück, dass wir zwischen unserer Sicherheit und unseren Idealen wählen müssen“, sagte er bei seiner ersten Vereidigungsrede im Januar 2009. Als Edward Snowden das NSA-Programm vor rund einem Monat enthüllte, hatte Obama eine andere Antwort: „Man kann nicht hundertprozentige Sicherheit und hundertprozentige Privatsphäre haben. Als Gesellschaft werden wir uns da entscheiden müssen.“

      Edward Snowden setzt mit seinen Enthüllungen auch den BND unter Druck. Merkel bemüht sich um Schadensbegrenzung… mehr…

      Ich glaube,es ist wichtig, diese Debatte zu führen, immer wieder aufs Neue und immer wieder ausgerichtet an der existierenden Bedrohung. Ich glaube aber, dass es falsch ist, Programme wie das der NSA zu verraten und Terroristen auf diese technischen Möglichkeiten aufmerksam zu machen.

      Terroristen, die SIM-Karten bisher drei-, viermal benutzt haben, benutzen sie jetzt vielleicht nur noch einmal. Das Gleiche gilt für E-Mail-Konten.

      Als Reporter im Irak und in Afghanistan war ich einige Male dabei, wenn Terrorzellen, Bombenbauer, Drahtzieher verhaftet wurden. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, dass diese Leute jeden erdenklichen Schnipsel aus internationalen Zeitungen über Geheimdienst-Methoden, Abhörprogramme, Drohnenüberwachung in ihren Verstecken sammelten.

      Wir haben es hier mit Menschen zu tun, die ihr Leben dem Töten von Zivilisten verschrieben haben – und die bereit sind, dafür ihr eigenes Leben zu geben. Wir sollten nicht so naiv sein zu glauben, dass sie nicht sehr aufmerksam lesen, was Edward Snowden der Welt mitzuteilen hat.

      Der andere Punkt, der mir wichtig und bemerkenswert erscheint, ist das Verhalten von Edward Snowden selbst.

      Mit seinem Datenschatz hat er sich ausgerechnet in die beiden Länder geflüchtet, die Amerikas größte Widersacher und gleichzeitig zwei erwiesene Feinde der Daten-, Meinungs- und Informationsfreiheit sind.

      Erst nach China (genau dazu gehört Hongkong) und dann nach Russland.

      Ihm muss bewusst gewesen sein, dass er sich dort mit Regimen einlässt, die an seiner Agenda nicht das geringste Interesse haben. Diesen Ländern geht es um die Daten auf seinen Computern und Festplatten, nicht um Bürgerrechte.

      Im Gegenteil, diese Länder nutzen Informationstechnologie im großen Stil, um politisch Andersdenkende zu unterdrücken.

      Snowden ist den Ländern in die Arme gelaufen, die nachweislich das betreiben, wogegen er sich einsetzen will.

      Wer in den USA eine regierungskritische Mail oder SMS schreibt, gerät damit möglicherweise in einen gewaltigen Datenspeicher. Wer in China eine regierungskritische Mail, SMS oder Facebook-Nachricht schreibt, hat gute Chancen, im Gefängnis zu landen.

      DAS ist meiner Meinung nach ein gewaltiger Unterschied. Und da steht Snowden für mich auf der falschen Seite.

      Ich weigere mich auch, die „Coverstory“ vom engagierten Bürgerrechtler Snowden zu glauben. Er ist ein amerikanischer Ex-Geheimdienstler mit einem Koffer voller höchst
      brisanter Informationen, der nun schon ungewöhnlich lange die Gastfreundschaft der Russen genießt.

      Ein normaler Mensch darf 24 Stunden ohne Visum auf dem Moskauer Flughafen bleiben. Snowden ist seit über einer Woche dort. Glaubt ernsthaft jemand, dass es Snwodens russischen Gastgebern um dessen Unversehrtheit geht?

      Ich finde, wenn ein amerikanischer Agent sich mit Geheiminformationen nach Moskau absetzt, darf man zumindest fragen, ob er nicht schlichtweg ein Überläufer ist. Ob seine Motive wirklich so ehrenwert sind, wie er vorgibt.

      Ich persönlich glaube das nicht. Ich persönlich glaube diese Geschichte nicht. Und ich finde es naiv, wie viele Menschen bereitwillig einer Version folgen, für die es nur eine einzige Quelle gibt: Edward Snowden selbst.

      Ja, man sollte Dinge kritisch hinterfragen. Aber vielleicht nicht nur BILD-Kommentare, sondern auch die Geschichte (oder in der Geheimdienstsprache: Legende) des Edward Snowden.

  8. Sapere Aude

    Spannend wäre auch die Frage nach einer Umsetzung globaler Demokratie im Sinne eines Mehrebenensystems ohne Weltparlament und -regierung, wie abermals Habermas es vorsieht, aber natürlich auch unzählige andere mit unterschiedlichen Schwerpunkten. In diesem Sinn wäre hinsichtlich der EU beispielsweise auch die Unterscheidung zwischen Input- und Output-Demokratie interessant, wenn die Frage der Legitimation gestellt wird. Verläuft eine Orientierung dabei mehr am Faktor Partizipation, oder eher an Problemlösungskompetenzen? Ist es legitimer wenn alle mitsprechen, oder wenn die dringenden Probleme effizient gelöst werden (mir ist klar, dass so eine Dichtotomie keinen Sinn ergibt und beide Elemente präsent sein müssen). In Bezug auf die häufig mit dem Prädikat des Demokratiedefizits versehene EU ist das allerdings eine spannende und berechtigte Frage.

  9. treuer Hörer

    Erstmal ein großes Dankeschön wiedermal für einen großartigen Sozipod!

    Ich würde mir einen Pod über Anarchismus sehr wünschen, da ich denke das diese Regierungsform zu vielen Vorurteilen ausgesetzt ist, die mit der eigentlichen Idee und der Umsetzung des Anarchismus nichts zu tun haben.
    Besonders in unserer heutigen Zeit in der jede Disskussion zu Alternativen unseres heutigen Regirungssystems oder des Wirtschaftssystems meist polemisch damit abgewürgt werden das der Kommunismus klar versagt hat und Anarchismus per se nicht funktionieren kann, ohne auch nur die geringste Vorstellung von anarchistischen Gruppen und Organisationsformen während des spanischen Bürgerkrieges zu besitzen.

    Ich möchte hier nicht auftreten und sagen: „Anarchismus ist die Lösung!“ sondern eher einen Diskurs anstoßen welche Elemente des Anarchismus für unsere Demokratie praktikabel wären und ob wir von etwas mehr Anarchismus profitieren könnten.

    Schließen möchte ich mit einem schönen Zitat von Bejamin Franklin, das meine Meinung zum aktuellen Diskurs wiederspiegelt:

    „They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.

  10. Merlac

    Freut mich, dass ich zunehmend vom gepoolten Losverfahren höre. Ich bin überzeugt, das könnte eine politische Vision der Zukunft in einer Wissensgesellschaft sein. Es gibt einen Prof. Buchstein, der 2012 (?) „Demokratie und Lotterie“ geschrieben hat und sich davon ebenfalls etwas verspricht.

    Die Vorteile eines (zumindest zur Hälfte oder zwei Dritteln) unter Freiwilligen ausgelosten Parlaments liegen m.E. auf der Hand. Die strikte Selektion, die die Akzeptanz- und die Affirmationshürden der Wählerschaft und die Karriere bis zur Listenaufstellung ausüben, fördert nämlich eben keinen Querschnitt der Gesellschaft ins Parlament und in Spitzenpositionen erst Recht nicht.
    Ich erwarte vom Losverfahren gute Wirkungen auf die politische Kultur, die im Moment verwaltet wird von PR-Beratern, Journalisten und Spindoctoren (die man guten Gewissens auf einer Skala anordnen kann, weit abseits der Monstranz der 4. Gewalt). Also von professionellen Meinungsarbeitern, ob im eigenen oder im Interesse eines Auftraggebers. Politische Kultur wird -verwaltet- von Menschen, die die Unzulänglichkeiten gesellschaftlicher Diskurse kennen, für gottgegeben bzw. nicht ihrer Verantwortung/Macht unterliegend halten und daher in tumber Pflichterfüllung lediglich opportunistisch VERWALTEN, nicht GESTALTEN. Wer auf Meinungsumfragen schielen muss oder gar soll, der wird nur reagieren, nicht agieren. Gestaltungskraft und -Wille, die in Gesetze umzuwandeln eine direkte Demokratie nicht in der Lage ist, sind also in einer medienkonformen repräsentativen Demokratie ganz ebenso undenkbar. Dass Medienkonformität jedoch nur ein vager Hinweis auf einen diskursorientierten Politikstil ist, bestätigen viele, wenn nicht alle Demokratien, die sich in Reichweite von Massenmedien reproduzieren.

    Wo ich mich jetzt doch warmgeschrieben habe, möchte ich jetzt noch zwei Dinge problematisieren, die mich schon lange vor meinem aktuellen Politische Wissenschaft/Soziologie-Studium beschäftigt und auch mit dazu motiviert haben, mich in diese „Autoritätsindustrie“ zu begeben:

    1. Popper, Falsifikation: Ist es Falsifikation, wenn Parteien (verstanden als Selektionssysteme zur Rekrutierung von politischem Personal) für 4, 8 oder 12 Jahre abgewählt werden, oder ist es Falsifikation, wenn Parteien für immer abgewählt werden, schrittweise aus dem Parlament verschwinden, sterben und Platz machen für Organisationen, die einen frischen Konsens und frische Strukturen finden müssen? Ohne eine eigene Regierungsgeschichte, die es zu integrieren gilt? M.E. ist es fatal, wenn Union und (nicht mehr unbedingt) SPD seit Gründung dieses Staates mehr oder minder keinen existenziellen Risiken ausgesetzt waren. Das hat natürlich etwas damit zu tun, wie Medien über Kleinparteien berichten. Siehe Piraten, siehe ÖDP, siehe Grüne, siehe LINKE, etc. Da fehlen beim Nachrichtenmacher und beim Adressaten hierzulande schon der Wille, einer Veränderung eine Chance zu geben.
    Die Mythen von einer politischen Mitte, von der notwendigen Einigkeit der Parlamentsfraktionen (geschweige denn Parteien), von dem drohenden Chaos im Falle einer Parlamentsblockade, die Angst vor Minderheitsregierungen, die Ignoranz und Intoleranz gegenüber Charakteren wie Johannes Ponader (den ich auch nur ungern verteidige) bei gleichzeitiger unkritischer Weiterleitung nur der gefälligeren Positionen von CDU-Hinterbänklern wie dieser Vertriebenenführerin Steinbach sind meines Erachtens alles Anzeichen für ein krudes Verständnis politischer Öffentlichkeit, das wir der Medienlogik verdanken, die sich potenziert entfalten konnte und kann dank der Nichtverbreitung von Herrschaftswissen wie Medienkompetenz undsoweiter.

    2. Und jetzt fehlt mir doch die Zeit, um noch mehr zu schreiben. Ich fass mich kurz und nehme den Pelzig zur Hilfe: http://youtu.be/xM_kj-u-EeE?t=6m55s

    Zwei Anmerkungen noch zu dieser und letzter Sendung:
    1. Ja, die haben Snowdens Pass annulliert, als er den Flughafen in Moskau verlassen wollte, weshalb er überhaupt erst dort festsaß.
    2. Die vergangene Sendung über Drogen und Abhängigkeit (Glückwunsch zum Award übrigens!) fand ich persönlich recht enttäuschend. Klar, die Umstände der Sendung entschuldigen euch dieses Mal 😉 .
    Doch gerade bei diesem Thema hätte man einmal das Fass des Hedonismus aufmachen können, oder den Begriff der Bewusstseins“erweiterung“ differenziert anschauen können. Mein Eindruck war, dass der thematische Teil nicht so wunderbar vorbereitet oder geplant (plant ihr eigentlich?) war, wie man das sonst so gewohnt ist bei euch 🙂 .

    1. Micky

      Ich habe hier das erste Mal von diesem gepoolten Losverfahren gehört und fand die Idee sehr interessant. Allerdings sehe ich (ohne, dass ich mich jetzt intensiv damit befasst hätte) ein großes Problem: Auch heute sind die Nazis in Vereinen etc. sehr aktiv. Es wäre also davon auszugehen, dass aus ihrem Lager eine sehr große Anzahl an Freiwilligen für das Lossystem gestellt würde. Das könnte dann (mit etwas Pech) zu einem überproportionalen Gewicht für Nazis in einem Parlament führen? Oder, im unwahrscheinlichen Grenzfall, zu einem Parlament, das nur noch aus Nazis besteht. So eine Möglichkeit macht mir Angst…

      In abgeschwächter und allgemeinerer Form könnte es bei Lospools doch passieren, dass in der Gesellschaft völlig unterrepräsentierte Meinungen den Ton im Parlament angeben. Und wer sagt, dass das dann tatsächlich zum Besten von allen ist? Wo ist dann in diesem Szenario der Gedanke der Repräsentation geblieben?

      Oder liege ich mit meinen Überlegungen völlig falsch?

      1. merlac

        Das Losverfahren selbst ist erstmal (rein statistisch betrachtet) eine sehr zuverlässige Quelle für ein repräsentatives Abbild der Gesellschaft. Da man aber ja keine unfreiwilligen Politiker möchte, muss man also mindestens die Eintragung in ein Verzeichnis von Freiwilligen als Zugangsvoraussetzung verlangen. An dieser Stelle muss man hinzufügen, dass natürlich das Ausmaß der Mobilisierung dadurch Relevanz gewinnt: (Bevölkerungsanteil) * (Mobilisierungsgrad) = Repräsentanz in diesem Modell..
        Ich persönlich glaube nicht, dass dieses Konzept von Neonazis in schädlichem Ausmaß gekapert würde, selbst wenn sie ein Vielfaches der Mobilisierung aufbrächten, die von anderen Milieus oder Organisationen aufgebracht werden könnte (was ich angesichts ihrer Öffentlichkeits- und Organisationsschwächen bezweifle). Sie stünden vielen anderen mobilisierungsstarken, weil sich Benachteiligt+Befähigt fühlenden, aber demokratischen Kräften gegenüber. Und dann bildet noch das „klassische“ Parlament gut organisiert und routinisiert (und meinetwegen mit Fraktionszwang) ein Gegengewicht gegen eventuelle „Feinde der Demokratie“.

        Wer die Vielfalt, die wir pluralistischer Demokratie verdanken, auch für die Demokratie nutzbar machen will, sollte jedem ein Mikrofon und einen Stimmzettel anbieten, ohne den Leuten in den Kopf zu gucken. Nazis bekämpft man besser nicht erst im Parlament. Nazis im Parlament sind garnicht zu verhindern, wenn der Staat bestimmte Wahlkreise an Neonazi-Nachbarschaftsvereine abschiebt o.Ä., wie es ja quasi passiert.

        Zumal ich sagen würde: Gerade diese Prozedur des Loverfahrens würde den Menschen in unserer Demokratie wieder vor Augen führen, dass unsere Parlamentarier ganz nah sein sollen und wollen, und dass Einfluss zu suchen der Normalzustand ist und bleiben muss.

  11. miro

    Da ich zum ersten Mal beim soziopod kommentiert habe, möchte ich noch was zum Seitenaufbau sagen. Vielleicht könnte man statt Disqus ein Kommentarsystem einsetzen, das direkt auf dem Soziopodserver läuft? Disqus ist ein US-amerikanisches System, das sowohl Kommentare als auch Nutzerdaten auf Servern in den USA speichert. Datenschutztechnisch ist das also höchst unfreundlich gegenüber den Kommentierenden. Viele Podcasts benutzen zB WordPress, wo eine Kommentarfunktion schon integriert ist. Das andere Problem ist die Integration der „unsozialen Netzwerke“ (sorry, für mich sind sie das). „2 Klicks für mehr Datenschutz“ (von heise) einzubinden wäre vielleicht besser. Die Soziopodhörer werden euch dankbar sein!

  12. H.P. Friedrich….

    Hi,

    ich will hier grad nichts zu dem schon Kommentierten schreiben, sondern etwas mir sehr wichtiges – wahrscheinlich – richtigstellen. In eurem letzten Soziopod habt ihr oder haben Sie beide Herr Breitenbach und Herr Köbel kurz vom Foltern in Guantanamo geredet und dabei davon gesprochen wie dadurch universelle Menschenrechte „verletzt wurden“. Ohne jetzt den kleinlichen Besserwisser abgeben zu wollen, WIRD meines Erachtens in Guantanamo leider IMMER NOCH gefoltert bzw. es werden Verdächtige immer noch ohne richterlichen Beschluss menschenrechtsverletzenden Haftbedingunen ausgesetzt und bleiben überhaupt inhaftiert. Das sind zumindest meine derzeitigen Kenntnisse. Ich wäre sehr froh und lasse mich dazu auch wirklich gern belehren, wenn ihr da andere Quellen oder Informationen vorliegen habt, die den Schluss zulassen, dass die USA dort nicht mehr für Folter verantwortlich sind. Wenn ja, dann lasst mich das gerne wissen….

    Ansonsten vielen vielen Dank für die interessante letzte Ausgabe. ich fand auch den grade den ersten Teil, die historischen Herleitungen der Demokratie, ziemlich gut.
    Bis dann

    p.s. Toleranz mit Ignoranz gleichzusetzen finde ich dann doch etwas absurd, denn tolerieren heisst doch auch das andere zumindest ein bisschen zu kennen und verstanden zu haben – Ignoranz tendiert meines Begriffsverständnisses nach doch viel mehr hin zu Intoleranz…..

    1. Es war nicht unsere Absicht in der Vergangenheit zu sprechen. Guantanamo ist nach wie vor in Betrieb und kürzlich sind mir erschreckende Zahlen begegnet: http://www.aclu.org/files/pages/gitmobynumbers_infographichires-jan2012_0.jpg

      1. Philipp

        schade…..und danke für die grafik

  13. Andreas Moser

    Eine Korrektur zu der Diskussion über Snowdens Staatsangehörigkeit:
    Die US-Staatsangehörigkeit wurde ihm natürlich NICHT enzogen. Das wäre auch ziemlich doof von den USA, denn dann hätten sie es noch viel schwerer, Snowdens Auslieferung in die USA zu beantragen.
    Es wurde lediglich der Reispass für ungültig erklärt. Ein Reisepass ist aber nur ein Reisedokument. Die Staatsangehörigkeit hängt davon nicht ab. Schließlich hat auch ein Kind eine Staatsangehörigkeit wenn es noch keinen Pass hat, oder jemand, der seinen Pass wegwirft oder zerstört, verliert damit nicht seine Staatsangehörigkeit.
    Diese Ungültigerklärung des Reisepasses ist übrigens auch gar nicht so ein großes Problem in der Praxis, denn das bedeutet ja nicht, daß nicht ein anderes Land den Pass noch anerkennent. US-Amerikaner brauchen z.B. kein Visum in den EU-Staaten, so daß es bei der Einreise sein kann, dass der Pass überhaupt nicht durch den Computer gezogen wird. Dann merkt niemand etwas von der Ungültigerklärung.

  14. lokke_aus_HH

    vielen dank für den Podcast und die gute ‚quodliberale‘ Recherche.
    das ist mal Aufklärung und politische Bildung wie sie sein soll, da auch mit urbanen Legenden, Mythen udn Halbwissen aufgeräumt wird. womit sonst gern in Demokratie Diskussionen um sich geworfen wird.

    zwei Ergänzungen hätte ich:

    John Ralws „die Theorie der Gerechtigkeit“ – klar standard wer und klar auch kritisiert. Ihr hab ihm Habermas gegenübergestellt – sehr gut!
    das neueste Standardwerk zur Gerechtigkeitstheorie (wenn auch noch nicht so legendär, sollte sich aber ändern) stammt von Ralws Schüler und Freund Armatya Sen „Die Idee der Gerechtigkeit“
    er baut auf diesem auf, führt ihn aber meiner Meinung nach weiter, auch indem er ihn mit Habermas verbindet. Auch einer seiner Hauptkritikpunkte an Ralws und den meisten anderern klassischen Gerechtigkeitstheorietikern (von Hume, Lokke, Hobbes etc) die Prämisse einer fiktiven Ausgangssituation umgeht er (wie auch anderen moderne Ansätze).
    für ihn ist neben der Fairness entscheidend die Freiheit. Demokratie ist für ihn nur dann gut wenn sie „deliberativ“ ist – sprich von Diskursen geprägt ist.
    Zu einer delibrativen Demokratie gehört aber auch das die Diskurse durch Transparenz und Informationsflusss gewährleistet sind.
    Das übernehmen ibei uns die Medien – ob die immer so frei und aufklärereisch sind hatten wir ja an anderer Stelle schon.
    was ich in unserem Staat vermisse ist die theoretisch festgeschriebene „willensbildungsfunktion“ der Parlamente. zumindest da wo es Angebote gibt sind diese sehr hochschwellig und man muß ihnen hinterher sein. Wilenbildungsfunktion klingt für mich eher als Bringschuld…ob einer das gelieferte Paket dann aufmacht oder nutzt ist noch mal etwas anderes.
    also Armatya Sen kann ich euch nur empfehlen (auch andere seiner Spätwerke)

    zweite Anmerkung:
    Anarchie – damit meine ich die organisierte politische Anarchie der eine Gesellschaftsvertrag zu Grunde liegt – als mögliche Alternative zur Demokratie.
    noch bin ich von dieser anarchistischen Gesellschaftsform nicht wirklich überzeugt – doch finde ich ihre Behandlung wichtig zur Abgrenzung der Demokratie, denn viele mehr-Demokratie-Forderungen (auch einige der frühen Piraten) fragen eigentlich nach dieser Anarchie statt nach Demokratie.
    Wichtigster Hauptunterschied ist das es in der Anarchie keine Opposition gibt (diese Demokratie-konstituierendes Element hab ich ausdrücklich als solches im Podcast vermisst).
    Die Anarchie arbeitet statt mit Mehrheitsverhältnissen mit Konsenzverfahren. Das dauert noch länger als Demokratische Abstimmung (und verlangt noch mehr Diskurs und somit Informationsfluss) aber am ende kann das Ergebnis von allen getragen werden.
    dabei werden von den Teilnehmern bei der Entscheidungsfindung meist folgende Konsenzstufen angeführt:

    1. Zustimmung: „Ich stimme dem Lösungsvorschlag zu.“ Ja auf der ganzen Linie, meine Bedürfnisse werden voll berücksichtigt.

    2. Zustimmung mit Einschränkungen: „Ich stimme dem Lösungsvorschlag mit Vorbehalten zu.“ Ich finde die Lösung nicht optimal, sie steht aber meinen Bedürfnissen nicht im Weg und ich kann sie deshalb mittragen.

    3. Ablehnung / Stand Aside: „Ich stimme nicht zu, kann den Vorschlag aber tolerieren.“ Ich bin gegen den Vorschlag, finde es aber okay wenn die anderen das so machen, wenn sie wollen. Ich werde dann unter Umständen nicht mitmachen.

    4. Veto: „Ich bin so sehr gegen den Vorschlag, dass die Gruppe ihn nicht umsetzen darf.“ Es ist kein Konsens erzielt worden. Der Vorschlag ist entweder blockiert, oder die Gruppe muss sich trennen. Mit dem Veto übt eine einzelne Person eine große Macht aus, deshalb sollte jede/r damit verantwortungsvoll umgehen.

    Stufe 3 kann auch in zwei einzelne Stufen geteilt werden.manchmal gibt es zwischen 3 und 4 noch die Stufe Enthaltung: mir ist das thema nicht so wichitg, ich vertraue euch, macht ihr mal

    ich persönlich kenne eine Bewegung (Jesusfreaks Deutschland) die sich tatsächlich nach dem Prinzip strukturiert und da sehe ich eben vor und Nachteile. aber die gibt es immer.

    mit ging es darum das man eine solche Alternative zur Demokratie erstens doch nennen sollte
    und zweitens das eine solches Verfahren eben nicht Demokratisch (im heutigen politischen Sinne) ist sondern einer anderen Stuktur angehört, auch um in Demokratie-Diskussionen das abzugrenzen. Denn viele Demokratie-Forderer fordern solange bis sie in der Opposition sind und dann ist Demokratie plötzlich scheiße (siehe sog. „Bildungsstreik 2009“ – der am Ende viele oligarchich-totalitäre Stukturen bekam als die Masse andere Wege einschlagen wollte oder sich in Augen der Aktivisten zu wenig engagierte – was ja auch eine Willensäußerung sein kann).

    so diese beiden Ergänzungen (sorry für meine Neigung zu epischer breite – aber ich hab mich zurückgehalten) wollte ich beim Hören anführen.
    aber mal wieder großes Lob an euch

  15. lokke_aus_HH

    Ergänzung zum anarchistischen Konsenzverfahren
    ein sehr berühmtes Beispiel sind die Borg aus StarTrek

    klar, hier büßt fast jeder seien Individualität ein, aber davon abgesehen, die Entscheidungsfindung ist traumhaft: alle Stimmen werden zu gleichen teilen gehört und fließen alle voll mit ein. (verfahren wie bei liquid demorcacy)
    Es gibt keine Opposition – da alle gemeinsam die Entscheidung getroffen haben – und deshalb wird sich auch niemand auflehnen (ganz ohne Zwang – nur die Assimilation ist zwang, danach hört er auf)

    Dennoch gibt es dann die Borg(königin) wie bei Insektenstaaten

    Ich will mich gar nicht in Details ergehen aber kennt jemand Soziologen oder Politologen die sich damit mal beschäftigt haben – fänd ich mal ne lohnende Studienarbeit – Hr Dr. Köbel Schlagen sie das mal an der Hochschule vor vllt findet sich ein/e Student/in die jenseits des Individualitätsverlust diese Gesellschaftsform mal beleuchten will.

  16. LenaHerz

    Ich stimme dem sehr zu, dass die demokratische Idee ganz
    unbedingt in allen Lebensbereichen mitgedacht und mitgelebt werden muss.

    Das bringt mich aber jeden Tag in den Konflikt, genau dies
    nicht zu schaffen: nämlich als Klassenlehrerin einer 2. Klasse. Alle Ideen, die
    mir kommen um zu wirklich demokratischeren Unterrichtsgestaltung zu gelangen
    sind in der Vorbereitung und/oder Umsetzung im Unterricht einfach so
    zeitintesiv, dass ich dies nicht leisten kann.

    Es hat nicht zufällig irgendwer Literaturtipps zu diesem
    Thema mit Anregungen, mit denen man konkret und praktisch etwas anfangen kann
    und die auch in unserem Schulsystem funktionieren?

    1. Nils Köbel

      Hallo Lena,
      ich finde für die Grundschule die Dilemma-Methode von Georg Lind sehr interessant. Da geht es um das Einüben von Diskussion und moralischen Urteilen.

  17. FreeThinkAndPlay

    Cluetrain-Manifest ist schon fast Historie! Aber immer wieder aktuell!

  18. Forelle

    Mein erster soziopod — und ich war sehr positiv überrascht. Wirklich schön was ihr da macht. Einen kleinen Hinweis möchte ich allerdings geben: Anarchismus, wie ihr ihn ansprecht (oder wie man ihn umgangssprachlich versteht), ist natürlich kein politisches System, sondern eine Haltung einem System gegenüber. Anarchismus im theoretischen Sinne bedeutet in erster Linie „ohne Herrscher“, in der Praxis bedeutet das, nicht dass es absolut keine Kontrolle gibt, dass jeder macht was er will, sondern quasi das absolute Gegenteil davon: jeder ist zur absoluten Eigenverantwortung aufgefordert, nicht weil er Strafe fürchtet, sondern weil du auch möchtest, das andere so handeln. Es wird also angenommen, dass vernünftige Menschen keinen Herrscher brauchen um ihr Zusammenleben zu gestalten — vielmehr gibt es mehrere anarch. Theoretiker, die meinen, ein hierarchisches Herrschaftssystem, stehe diesem vernünftigen Umgang miteinander sogar im Weg.

    Wenn man sich ein bisschen einliest in die Definitionen berühmter Anarchisten (die ja quasi der antiautoritäre Antipode zu dem marxistischen, autoritären Kommunismus waren, damals auf der ersten Internationalen), dann nehmen die zum Teil sehr viel von den Erkenntnissen die in eurem Podcast vorkamen schon in der Theorie vorweg. Z.B. dass die „Revolution“ nie die Regeln aushebeln darf, zu denen sie das Volk bewegen will (ein Punkt den der Kommunismus bekanntlich anders sah). Es gibt interessante Gedanken zur Rolle des Geldes in einem Staat. Wie der Umgang mit Nicht-Anarchisten aussehen soll (man zwingt sie zu nichts, verteidigt in letzter Konsequenz aber seine Gemeinschaft gegen die Auflösung des eigenen Systems). Auch war zum Beispiel die Rolle der kritischen Bildung des Bürgers einer der wichtigsten Punkte überhaupt.

    Ich kann nachvollziehen, dass sich der Anarchismus im besonderen die Kritik gefallen lassen muss, eine utopische Träumerei zu sein. Wenn man sich aber die (wenigen) Praxisbeispiele anschaut, dann sollte man sich fragen ob das wirklich so unrealistisch ist. Z.B. der anarchosyndikalistische Sommer in Barcelona 1936 (es gibt irgendwo in den Untiefen des Netzes eine gute Doku dazu). Oder der Anarchismus in der Ukraine. (Beides wurde dann von faschistischen Diktatoren ausgeräumt).

    Ich habe mir schon mit 15 gedacht, dass der Satz: „Die Demokratie ist das beste was wir haben.“, in Zeiten von Mikroprozessoren, Mondlandungen und Genforschung ein bisschen unambitioniert scheint. Ich war damals zwar auch sehr naiv, aber ich hatte damals schon den Gedanken: Die Evolution verwendet Try & Error, in der Wissenschaft werden Versuche angestellt — warum gibt es keine experimentelle Politik? Ist das Thema zu komplex? Die Versuchsordnung zu heikel? Keine „Versuchskaninchen“ zur Verfügung?

    Aber wenns daran scheitern soll, dann können wir uns eh einsalzen ; )

  19. Name

    Auch wenn ich die Soziopods sonst sehr genieße, eben aufgrund der offenen und kritischen Ausrichtung, muss ich leider meckern: Anarchismus ist weit mehr als Ihr weniger als kurzer und hoffentlich nur unbedachter „Exkurs“. Bitte noch einmal gründlich recherchieren! Vielleicht ein Vorschlag für einen neuen Soziopod?

  20. Vorname

    Hallo,

    vielen Dank erstmal für den wie oftmals sehr informativen und interessanten Soziopod.

    Zu Popper bzw. Poppers Demokratieverständnis habe ich die Frage, ob Falsifizierungsgrundlage im Popperschen Sinne nicht eigentlich eine umfassende Informationsbasis ist, um eine Einschätzung bzw. Falsfizierung der Regierungen erst zu ermöglichen?(z.B. auch in Hinblick auf Geheimdienste und somit Intransparenz)

    Schön wäre es eventuell auch gewesen alternative Demokratiekonzepte wie beispielsweise die radikale Demokratie vorzustellen.

    Vielen Dank für die Anregungen und euren Beitrag zum Diskurs;)

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