Soziopod #014: Fußball – Das Bedürfnis nach (nationaler) Ekstase?

Fußballphilosophie vom Feinsten. Herr Breitenbach und Doktor Köbel sprechen im Anschluss nach dem Deutschland/Niederlande EM-Spiel über das Massen-Phänomen Fußball und die Angst vor einem neuen negativen Nationalismus.

Weitere Links folgen

Intro: Deutschland – Argentinien Elfmeterschiessen WM 2006 – Radiokommentar von Guido Huesgen von Antenne Bayern

Aktion Autofahnenabriss in Berlin als Protest gegen Nationalismus
Interview mit einigen Fahnenabreisser
Frankfurter Schule
Die Bewegung der Antideutschen
Flaggenhistorie Deutschland
Political Regime Characteristics and Transitions, 1800-2010
Habermas: Verfassungspatriotismus
Alexander (Film von Oliver Stone)
Brand Eins: „Die ewig Treuen“ – Artikel über die Ultra-Szene insbesondere Hansa Rostock
Émile Durkheim
Martin Heidegger
Theodor W. Adorno

Nachtrag:
Studie zur Fußballweltmeisterschaft: Fußballtaumel und Fremdenfeindlichkeit


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Kommentare

13 Antworten zu „Soziopod #014: Fußball – Das Bedürfnis nach (nationaler) Ekstase?“

  1. Ihr seit ja Quatschtanten, ey 😉

    Ich mag eure Gedankengänge zum Thema.

    ICH bin kein Fahnenabreisse… find das aber recht belustigend, wenn Leute das machen; kann da kein Drama reininterpretieren. Eine Sache: Die Ablehnung kommt sicher AUCH "aus der Vergangenheit"; denke aber auch, dass es Leute gibt, die das Konzept eines Nationalstaates als überholt empfinden, und sowas deshalb machen. DIESE Motivation mag ich; ob 'Autos anfassen' da der richtige(re) Weg dahin ist, …darüber lässt sich streiten.

  2. Patrick Breitenbach

    Quatschonkels wenn schon 🙂

    Ja, darüber hatten wir ja auch gesprochen. Also die Auffassung, die bereits die Marxisten und Anhänger der Frankfurter Schule teilen. Ich glaube der Nationalstaat macht noch solange Sinn, wie er existiert. Was ja stattfindet ist eine kulturelle Aufweichung, also das notwendige Vorstadium. Ihn von heute auf morgen "abzuschaffen" ist eine Illusion. Also weniger Revolution als vielmehr Evolution dabei bedenken.

    Je mehr wir uns miteinander mischen, vor allem soziokulturell, desto weniger notwendig wird das Konstrukt "Nation", welches ich im großen, langen Prozess der Zivilisierung (von Stammesgesellschaft hin zur Demokratie) schon als notwendig erachte. Die Frage ist halt, wann die Nation als Zivilisationswerkzeug überflüssig wird.

  3. dingens

    Es gibt genau so wenig einen Grund, auf eine Nation stolz zu sein, wie auf eine Familie – ich wusste gar nicht, dass die CSU ab und an doch mitdenkt 🙂

    Zum Flaggenabreißen: es gibt nicht nur Antideutsche, sondern allemöglichen Strömungen in linken Zusammenhängen, die eben gegen Nationalität sind; Antideutsche würden wohl deutsche Flaggen entfernen und amerikanische sowie israelische Flaggen hängen lassen, wohingegen andere gegen "Nation" als solche Seiende Flaggen aller Länder entfernen würden.

    Es geht Antinationalist_innen darum, klar zu machen, dass zumindest Nationen, für manche vielleicht auch Ethnien, ein falsches Gemeinschaftsgefühl hervorrufen. Es sollen speziell solche, andere im Zweifel herabstufenden Konstrukte, nicht gefördert werden.

    Ich möchte übrigens dem widersprechen, dass (Neo-)Nazis allzu unzufrieden über "Stolz" auf die BRD sind – das mögen einzelne sein, im Großen aber ist das sicherlich für sie ein Schritt in die "richtige Richtung".

    Nebenbei: ich sehe nicht, weshalb Lokalpatriotismus weniger schlimm sein sollte als Nationalismus. Ich weiß ja, dass ihr über einen

    Zum Schluss ein Artikel, der zeigen soll, wie sich Gruppenfeindlichkeit speziell in Bezug auf Fußballwettbewerbe entwickelt: http://www.sueddeutsche.de/kultur/studie-zur-fuss
    und eine Langzeitstudie der Uni Bielefeld zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und den Motivationen (die durchaus Kriterien wie Ethnie oder Nationalität sein können): http://www.sueddeutsche.de/kultur/studie-zur-fuss

  4. stella

    Ich hab eure Sendung heute entdeckt (in der Podcast-Bib von iTunes) und frage mich: "WAAAARUM KANN ICH EUCH NICHT AUF FACEBOOK FOLGEN???" Das wäre toll, weil ich kein Twitter benutze.

  5. Patrick Breitenbach

    Nur für dich, Stella!

    http://www.facebook.com/soziopod

  6. fasel

    noch ein paar lose Gedanken, anknüpfend an unsere Twitterdiskussion und Bezug auf http://www.haltungsturnen.de/2012/06/was-bist-du-

    Erstmal muss ich nicht Antideutsch sein, um mit "Deutschland" als Idee/identiät ein echtes Problem zu haben. Zwischen »Antideutsch und bösem Nationalismus« sehe ich keine Gratwanderung, sondern viel Raum für Postionen.

    Jedenfalls gab es eben keinen Schnitt nach '45 und plötzlich waren alle tolle Demokraten und entnazifiziert. Es gab belegbare Kontinuitäten der Instituionen und teilweise auch des Personals. Genauso gibt es Kontinutiäten der kolonialen Denk- und Sichtweisen, aus Zeiten die weit vor der Nazizeit liegen.

    Dann kann man sich natürlich freuen, dass Deutschland eine weltweit vorbildliche Demokratie fährt. Allerdings ist die beim genauen hinsehen auch nicht unproblematisch, inklusive der Verfassung (Stichwort: männlich-weiss-hegemoniale Prägung).

    Zu den angeführten Dingen kann man viel schreiben. Darüber werden komplexe (antirassistische/feministische/anarchistische) Diskurse geführt. Die Einbeziehung dieser habe ich in dieser Episode vermisst, in früheren Episoden wurde zumindest der Demokratieaspekt ganz gut von allen Seiten beleuchtet.

    Diese Ausblendung der Sichtweise sog. marginalisierter Gruppen, war meine ursprüngliche Kritik. Wenn man das volle Privilegienpaket mit sich rumträgt, macht man es sich natürlich einfach solche nationale, »kollektive Trance-Erfahrungen« locker zu nehmen.

    Was mir speziell zum Fußball-Patriotismus noch einfällt: Es stimmt, dass man heutzutage auch unter anderer Flagge/Trikot feiern kann, auch inmitten deutscher Fans. Allerdings wird es meiner Erfahrung nach eher zähneknirschend toleriert, besonders wenn man es als "Deutscher" macht, was im oben verlinkten Blogbeitrag ja thematisiert wurde.

    Was immer geht ist sich selbst ein deutsches Trikot anzuziehen und mitzujubeln (was ich persönlich bei der WM2006 auch einfach gemacht habe).

    Was am wenigstens geht, ist sich dem Treiben entziehen zu wollen oder gar dagegen zu sein. Wer für ein anderes Team/Nation ist, macht wenigstens noch mit und gehört allein dafür dazu. Wer sich aber verweigert, und damit ein für sehr viele Leute wichtiges Ding delegitimiert, der steht plötzlich sehr weit abseits. Anarchisten oder Atheisten (besonders in den USA) kennen das Schicksal.

  7. Hallo an alle,

    als langjähriger Ex-Fußballspieler und Fan dieser Sportart sehe ich eine gewisse Tendenz, dieses ganze Fahnenmehr zu unterschätzen. Deshalb bin ich froh, dass es immer noch Menschen gibt, die auch darin zumindest ein potenzielle Gefahr sehen. Der Stolz auf eine unbelebte Entität wie eine Nation oder das Heimatland hat schon immer etwas Verklärendes gehabt, darin stimme ich mit meinen Vorrednern überein.

    Trotz dessen bin ich der Meinung, dass die Fähnchen und sonstige Utensilien in der letzten Zeit ein neues identitätsstiftendes Momentum und eine neue Qualität hatten, die mir gewisse Sorgen bereiten. Meine Beobachtungen gingen in die Richtung, dass es zu bestimmten Ausschließungstendenzen zwischen Fußballfans und Nicht-Fans kam. Es ging nicht nur darum, Deutschlandfans von anderen Nationen zu trennen, es ging auch um die Trennung innerhalb unserer Gesellschaft. Ich hoffe, dass dieses Phänomen sich auf Dauer nicht wiederholt, denn der Sport sollte an sich eher eine inkludierende Wirkung erzielen und nicht zur Exklusion führen. In meinem Blog schrieb ich dazu einen kurzen Kommentar, dessen Schlussworte ich an dieser Stelle wiederholen möchte: Die Nationalfahne hat für uns Deutsche eine ganz besondere Bedeutung in der kürzeren Vergangenheit angenommen, sie ist kein Symbol für eine Nation, für ein von uns bewohntes Territorium oder ein nationales Bewusstsein – die Fähnlein im Wind zeigen einfach nur noch an, wer Fußballfan ist und wer sich einen Sch… darum kümmert, ob Jogis Jungs ins Finale kommen. Nicht umsonst hängt bei meinem Nachbarn wieder die Vereinsfahne von Holstein Kiel (nach dem Halbfinale). Identität wird ab sofort wieder kleiner geschrieben und beginnt mit FC…, VFB… oder SC…!

  8. Auf das was Herr Köbel angesprochen hat will ich nochmal etwas eingehen. Und zwar auf den permanenten leichten Rechtsextremismus im Stadion. Ich kann mir gut vorstellen, dass manche Fähnchenabreißer schon Erfahrung mit rechten Fußballfans gemacht haben. Ich bezweifle, dass alle Rechten den Fußballkult wie er zu WM/EM-Zeiten abläuft als Amerikanisierung ablehnen. Die rechten Vereinsfans werden dies eher nicht tun, denn sie Zeigen diesen Kult ja in ihrem Verein.

    Wenn einem eine Truppe gegen Juden und Zecken gröhlende Masse von "Fans" entgegen kommt, ist das kein angenehmes Gefühl. Das Fähnchenabreißen, als Symbol um auf das Problem des Nationalismus und Rechtextremismus im Fußball hinzuweisen ist von mir auf jeden Fall nachvollziehbar.

  9. monohydrat3

    Also das Antideutsche mit Ché Fahnen rumlaufen glaube ich ehrlichgesagt nicht. Und dass während WM und EM die Zahl rassistisch motivierter Gewalttaten ansteigt wage ich mal in der Richtung zu interpretieren, dass die Trennung zwischen Nationalität und phänotypiscen Merkmalen nicht so klar ist, wie Herr Breitenbach das gerne hätte. Deshalb ist es nicht dasselbe, ein Fanshirt einer Band etc. oder einer Nationalmannschaft zu tragen, da letzteres immer durch die auch biologisch konstruierte Zugehörigkeit zu einer Nation bedingt wird. Es gab beispielsweise Fälle, wo Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe der Zugang zu Fanmeilen verwehrt wurde. Zu diesen Gruppendynamiken lässt sich auch vieles unter dem Stichwort Critical Whiteness finden.

    Dass gerade Deutschlandfahnen kritisch zu sehen sind, liegt unter anderem an den Mehrheitsverhältnissen und Diskriminierungslogiken, die daraus resultieren.
    Und wie kann Zugehörigkeit ohne Ausgrenzung stattfinden? Inwieweit spiegelt das schon Ignoranz gegenüber denen wieder, die unter dem Handeln der deutschen Staates leiden?

  10. Seekeks

    Entspannte Folge. Zwei Anmerkungen für die Nachwelt:
    1. Gut, dass ihr keine Filme besprecht. 🙂
    2. Auch wenn ich teilwese nachvollziehen kann, warum Leute diese Fahnen abbrechen, regt es mich auf. Anstatt einfach den Zettel ans Auto zu stecken, den Leuten also die Info geben, die ihnen vermeindlich fehlt, wird die Fahne kaputt gemacht. Das ist einfach Sachbeschädigung und Fremdbestimmung. Man sollte jedem die Chance geben, seine Fahne aus freier Überzeugung abzunehmen.
    Das stört mich oft an solchen Gruppen. Sie bevormunden. Und machen kaputt.

  11. Peter Strotmann

    Parallele Religion – Fußball
    Fronleichnamsprozession mit Monstranz – Fahrt um Borsigplatz mit Meisterschale

  12. Peter Strotmann

    Darf ich als Altphilologe das Suffix porcus Bavariae verwenden ? 🙂

  13. Unbekannte Unterschicht

    Lange bevor ich die Frankfurter Schule kennenlernte, war mir der Massenauflauf bzw. die Massenekstase suspekt, und beim Punk-Konzert steh ich lieber abseits. Das macht mich aber nicht „einsam“ – so wenig wie mich das Bücher lesen statt Party gehen einsam macht. Ich hin halt gern allein. Das ist kein zwingend bedauernswerter Zustand, sondern resultiert aus einem Lernprozess und einer Neigung/Anlage.
    Ich mein nur, denn ihr habt es ja schlimm gefunden, daß es Leute gibt, die sich bewusst selber ausschliessen.
    Nicht konform gehend bleibe ich bei mir, während mir das Aufgehen zu nahm am Auflösen und damit Verlust meines Verstandes ist. So weit, so gut …

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