Soziopod+1 #01 mit Jun. Prof. Dr. Tobias Rothmund über Gewalt in Medien und Computerspielen

In der ersten Ausgabe unseres neuen Formates Soziopod+1 (also das altbewährte Soziopod Team plus einem Gast) sprechen wir mit Jun. Prof. Dr. Tobias Rothmund über die aktuelle Forschung rund um das Thema Gewalt in Medien und insbesondere Gewalt in Computerspiele.

Tobias Rothmund hat seit 2013 eine Juniorprofessor für Politische Psychologie am Institut für Kommunikationspsychologie und Medienpädagogik (IKM) an der Universität Koblenz-Landau und hat 2010 im Fach Psychologie an der Univeristät Koblenz-Landau mit dem Titel „Suspicious Minds – Differential Effects of Virtual Aggression in Video Games on Trust and Cooperation“ promoviert. Von 2006 – 2009 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter im interdisziplinären DFG-Projekt „Rezeption und Wirkung gewalthaltiger Computerspiele“, ein Kooperationsprojekt von Jun. Prof. Mario Gollwitzer (Universität Landau), Prof. Dr. Peter Vorderer (Freie Universität Amsterdam) und Jun. Prof. Dr. Christoph Klimmt (Universität Mainz). Ganz aktuell forscht er zu folgenden Themen.

Die Links und Shownotes zur Sendung folgen noch.


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29 Antworten zu „Soziopod+1 #01 mit Jun. Prof. Dr. Tobias Rothmund über Gewalt in Medien und Computerspielen“

  1. Thomas

    Vielen Dank für diese tolle Folge des Soziopods. Es ist euch beiden mal wieder gelungen, einen interessanten Podcast zu machen, der einen zum Nachdenken bringt (mich zumindest). Auch ein großes Dankeschön an Herrn Rothmund, der sehr anschaulich auch für Laien erklärt hat. Ich finde es schön, dass ihr es jetzt mal geschafft habt, mit dem Soziopod plus EIns anzufangen und hoffe es gibt irgendwann weitere. An dieser Stelle möchte ich euch auch insgesamt ein großes Lob aussprechen für alle bisherigen Folgen, die ich im letzten Monat angehört habe, nachdem mir ein Freund den Soziopod empfohlen hat.
    Und nun zum Thema Gewalt in den Medien. Erstmal ist mir aufgefallen, dass dieses Mal die Definition gefehlt hat. Weil das Thema schon einmal besprochen wurde? Ich glaube eine kurze Auffrischung der Definition Gewalt wäre nicht schlecht gewesen. Was die Forschung zur wissenschaftlichen Untersuchung der Folgen von Gewalt in den Medien angeht finde ich es eine runde Sache. Bis dann später erwähnt wurde, dass die Gewalt im echten Leben langfristig weniger wird während sie in den Medien zunimmt (wenn ich mich richtig erinnere). Das passt für mich kaum damit zusammen, dass es ansonsten eher euer Konsens zu sein scheint, dass die Gewalt in den Medien eine schlechte Wirkung hat (bezüglich Gewaltbereitschaft), nur ist nicht sicher wie viel. Oder habe ich das falsch verstanden? Das wäre auf jeden Fall ein Punkt gewesen, der hätte vertieft werden können finde ich. Das Nächste was mir einfällt, ist dass ihr über Gewalt in den Medien gesprochen habt, ohne genauer darauf einzugehen, wie denn Gewalt in den Medien dargestellt wird. Das kam dann beiläufig durch den von Nils geschilderten Besuch in der Spielhalle ein bisschen, hätte aber durchaus auch noch ausgeführt werden können. Es geht meiner Meinung nach auch nicht nur um die Frage, was Gewalt attraktiv macht, sondern auch darum, in welchem Kontext sie sich einem präsentiert. Und schon bin ich bei meinem letzten Kritikpunkt, nämlich der Gewalt in Medien heute und wie es da auch in gewissen Teilen der Gesellschaft fast schon kulturell eingebettet ist. Und wenn man zu einer der primären Zielgruppen gehört (männlich und jugendlich) gibt es einen nicht zu unterschätzenden Gruppenzwang, da mitzumachen. Das meine ich damit, wie sich die Gewalt einem präsentiert. Es geht am Anfang nicht darum, Gewalt virtuell zu praktizieren oder zu konsumieren. Auch nicht um Aggressionsabbau (den ich auch, zumindest in den meisten Fäellen für einen Mythos halte). Es get darum, dabei zu sein. Es geht darum, wie gut man ist und welches der marktführenden Spiele man bevorzugt (ist häufig etwas, mit dem sich die Speiler erstaunlich stark identifizieren). Dasreflektieren und begründen kommt glaube ich häufig in einer späteren Phase, in der es dann darum geht, dass man die Gewalt doch verträgt. Das wird sicher noch dadurch verstärkt, dass mit diesen Labels „ab 18“ oder „ab 16“ enorm suggeriert wird, dass Gewalt etwas für die Großen ist. Ich kann deshalb recht viel dazu sagen, was das Spielen von auf Gewalt basierenden Videospielen angeht, weil ich selbst noch jugendlich bin. Ich habe also in meiner Klasse und Freundesgruppe mitgekriegt, wie fast alle nach und nach damit angefangen haben (von den Jungs). Das war so in der sechsten und siebten Klasse. Und dann gab es eine Zeit, in der es in der kompletten Kommunikation zum großen Teil um ihre Egoshooter ging, die sie häufig im Team übers Internet spielen. Und wenn unter Jungs das konkurrenzlose Gesprächsthema Nummer eins über mehr als ein Schuljahr diese Spiele sind, dann ist das Spielen und damit die enthaltene dargestellte Gewalt kein auf die Einzelperson beschränkbares Phänomen mehr. Ich finde es wie mir jetzt auffällt schade, dass es keine Studien, die Gruppen untersuchen besprochen wurden. Gibt es etwa keine oder keine guten? Wenn ich es als Nicht-Spieler richtig einschätze wird zum allergrößten Teil in teams gespielt und es gibt viel Kommunikation unter den Spielern eines Teams währenddessen. Das kann unter anderem dazu führen, dass einige meiner Freunde sagen, sie hätten gute Freunde in diesen Spielen gefunden. Mit denen sie sich dann auch zum Spielen verabreden.Mit der Zeit ist das Thema aber weniger präsent geworden. Den Ansatz, dass das an den Mädels liegt, halte ich für fast richtig, denn die sind gar nicht alle so gegen diese Spiele. EInige haben es mal ausprobiert und auch gerne gespielt, aber zumindest denen, die ich kenne scheint das auch nicht so viel bedeutet zu haben. Sie haben dann bald wieder aufgehört oder auch gar nicht erst richtig angefangen, wie man es nimmt. Bei vielen von den Jungs habe ich später nachgefragt, und Egoshooter werden immer noch sehr viel gespielt. Dabei geht es fast immer um Stunden pro Tag im Durchschnitt! Ich glaube, dass das bei vielen oder sogar den meisten der Jungen so ist. Es ist jedenfalls immer noch etwas Unverständnis hervorrufendes, wenn ich sage, dass ich keine Ballerspiele spiele. Meist auf die Frage, ob ich Modern Warfare oder…hab den Namen vergessen…spiele. Was dann folgt, lässt sich danke ich ganz gut beschreiben, dass mich die anderen Jugendlichen TROTZDEM okay finden/ mögen.
    Ich hoffe ich konnte etwas Interessantes beitragen. Ist jetzt doch einiges um einiges länger als erst gedacht. Und recht unstrukturiert noch dazu. Ich freue mich auf weitere Kommentare (ich scheine ja tatsächlich der erste zu sein) und natürlich auf den nächsten Soziopod
    Liebe Grüße!
    Thomas

    1. Danke Thomas. Zu deinen Fragen äußert sich vielleicht noch unser Gast.

  2. Michael

    Der Kommentar bei 43:10 hat mich sehr irritiert. Personen, bei denen es neben den Computerspielen keine anderen (höhö) Risikofaktoren gibt, können ihr Leben lang spielen und es passiert nichts, GIBT ES AUCH…Wie kann man so etwas merkwürdiges sagen? Wenn man sich mal die sehr hohen Verkaufszahlen von Shootern allein in Deutschland (irgendwas hundertausende aufwärts im Jahr) anschaut, und der Meinung ist, dass es AUCH Leute gibt, die von diesen Spielen nicht negativ beeinflusst werden, dann traut man sich doch nicht mal mehr tagsüber aus dem Haus oder? Wie lebt es sich mit dieser Angst? *hust*

    Zudem hat mich die Aussage, bei experimentellen Studien wäre es sogar ein Vorteil, wenn das Vorleben der Probanden ausgeklammert ist, gewundert. Wenn man sich anschaut, wie Leute, die Menschen umgebracht und Computerspiele gespielt haben, gelebt haben, dann braucht es doch kaum irgendeine Forschung, um zu sehen, dass die Ursachen komplett und völlig offensichtlich woanders lagen. Die Täter hatten in ihrem Leben schlimme Dinge auszuhalten – in den seltensten Fällen wohl selbst gewählte Isolation und Ausgrenzung usw. (was natürlich keine Entschuldigung ist) – und einen Vati, der ein paar Mal die Woche zu seinen Schützenbrüdern Saufen und Schießen gegangen ist. Wer kommt eigentlich immer darauf, die Computerspiele in den MIttelpunkt zu schieben? Warum erkennt man (also „diese Leute“), nicht, dass sich hier immer die selben Dinge wiederholen: Die (Groß-)Eltern-Generation sieht sich mit einem neuen Medium (Comics, Fernsehen, Rock’n’Roll, Computerspiele usw.) konfrontiert, kann damit nichts anfangen und benutzt dieses fremde Medium als Sündenbock. Wann hört das mal auf? Und warum erkennen es Leute, die deutlich älter sind als ich (39) nicht?

  3. Michael nochmal

    Und sich zu fragen, warum ausgerechnet Jungs und Männer „Spaß“ an Gewalt haben, bringt mich nicht direkt auf die Palme, wundert mich aber auch. Ich setze mich mit dem nächsten Statement sicher in die Nesseln und wirke bestimmt nicht direkt sympatischer, aber: Wenn man sich mal (ich bin kein Psychologe, Soziologe o.ä. und benutze evtl. komplett falsche Vokabeln, hoffe aber, verstanden zu werden) die grundlegenden „Funktionen“ und/ oder „Kulturleistungen“ von Männern und Frauen vergleicht, sieht man, dass Männer einfach diejenigen sind, die die Welt durch ihr Handeln gestalten. Im Guten (durch die Erfindung von Dingen, die unsere Zivilisation an den Punkt gebracht hat an dem sie ist + alles zukünftige (evtl. sieht das in 200 jahren anders aus, schauen wir mal)) wie im Schlechten: Kriege usw. Aber auch hier gibt es aber etwas gestalterisches: Der Wunsch z.B. eine Gesellschaftsordnung zu ändern. Das „Machen“ ist Sache der Männer, und Gewalt ist eben die Kehrseite der Medaille. Das Zusammenhalten einer Gruppe und Filtern, welches der Männchen sich sich fortpflanzen darf ist meiner Laienmeinung nach die „Funktion“ der Frauen. Und wer denkt, dass das weniger wert wäre, darf sich gern über mein laienhaftes Geschreibsel aufregen. =)

    1. Thomas

      Ja, gut dass du es ansprichst. Wie die beziehung von Jungs und Männern zur Gewalt besprochen wurde finde ich auch nicht richtig und ich habe leider vergessen, es in meinen Kommentar zu schreiben. Meiner Meinung nach kommt diese Zuordnung Gewalt und männlich im Zuge der Sozialisation indem Geschlechterrollen vorgelebt werden. Ich glaube biologische Gründe für Geschlechtsunterschiede bezüglich des Beziehung eines Individuums zu Gewalt sind nur in leichten Ansätzen vorhanden. Zum Beispiel durch eine höhere Konzentration von Testosteron bei Männern, was aber bei Kindern vor der Pubertät glaube ich gelesen zu haben noch nicht geschlechterspezifisch variiert. Dass Männer (in fast allen Fällen) was körperliche Stärke angeht überlegen sind sehe ich als Hauptgrund dafür, dass sich geschichtlich diese von Männern dominierte Gesellschaft gebildet hat. Ich will nicht sagen, dass die Dominanz zu jeder Zeit auf körperlicher Stärke beruht hat, aber das halte ich für den grund warum die Trennlinie zwischen stark und schwach zwischen den geschlechtern verläuft und warum es nicht umgekehrt ist. Kinder sind da ausgenommen.
      Und nun zu dem was du geschrieben hast, Michael. du sagst dass Männer diejenigen SIND, die die Welt gestalten. Dass es mit der Gleichberechtigung noch nicht so weit ist, ist keine Frage. Aber meinst du das ernst, dass auch heute noch nur Männer an der Macht sind und etwas bewirken? Historisch gebe ich dir Recht, da war es (bis auf seltenste Ausnahmen) so. Und was meinst du damit, dass es in 200 Jahren viellecht anders ist? Was ist dann anders?
      Weiter sagst du, das Machen sei Sache der Männer und Gewalt die Kehrseite. Bedeutet das für dich, dass Gewalt in Ordnung ist? Siehst du wirklich nur die Männer als Macher?
      Und jetzt kommt der für mich unverständlichste Punkt. Du sagst, das Zusammenhalten der Gruppe und Selektion der Fortpflanzung sei die Funktion der Frauen. Ja. Aber auch der Männer. Und es mag sein, dass bei ersterem mehr von Frauen ausgeht, aber eben statistisch mehr. Sexuelle Selektion findet definitiv beidseitig statt.
      Ich glaube dir wegen deines letzten Satzes, dass du nicht meinst, dass die Rolle der Frau weniger wert ist. Ich persönlich empfinde es aber als diskriminierend wenn man als Individuum nur auf seine Zugehörigkeit zum Geschlecht reduziert wird und zwar die Rollen beider Geschlechter für das Überleben der Nachkommen notwendig sind, aber nur die Menschen des anderen Geschlechts die Freiheit haben Macht auszuüben. Etwas zu gestalten, etwas zu bewirken, etwas zu erfinden. Entweder sprichst du Frauen die Fähigkeit dazu ab, oder du meinst wegen sonstigen Gründen, dass sie das nicht tun sollten. Das ist Diskriminierung. Vielleicht habe ich dich auch falsch verstanden.
      Ich hoffe auf eine Antwort, allerdings werde ich sie nicht mehr heute lesen, da ich gerade in Shanghai bin und es schon spät abends ist. ich hoffe du nimmst mir das jetzt nicht übel. Ich wollte mich jedenfalls nicht über dein Geschreibsel aufregen. Und falls du ihn noch nicht gehört hast kann ich dir den Soziopod 25 über Geschlecht und Macht sehr empfehlen. Grüße
      Thomas

      1. Michael

        Hallo Thomas, vielen Dank für Deine ausführliche Antwort.

        Danke auch für den Tipp zum Soziopod 25, klingt spannend. Die Folge kann ich gleich mit zum Sport nehmen =) Habe diesen Podcast erst vor ein paar Tagen entdeckt und bin total froh, sowas Interessantes gefunden zu haben.

        Ich fange mal hinten an: Ich meine natürlich nicht, dass Frauen (oder die Rolle der Frau) irgendwie weniger wert sind. Ich bin nur der Meinung, dass die Gleichmacherei, oder die Leugnung (klingt jetzt evtl. etwas zu hart) von Unterschieden, wie grundlegenden sozialen „Funktionen“ von Männern und Frauen eine Konstruktion sind, die Unterschiede (wie im gesamten (?) Tierreich eben auch) aber nicht. Hängt natürlich stark vom eigenen Weltbild ab, aber ich sehe den Menschen nicht als das von Gott zusammengebaute Super-Spezialwesen, sondern als weiteres Tier. Und genau deshalb denke ich, dass für uns die selben Biologischen „Regeln“ gelten wie für andere Wirbel-/Säugetiere. Und da es bei Tieren eben diese sich klar unterscheidenden Funktionen gibt (Wobei die Aufgaben der Männchen und Weibchen auch anders verteilt sein können als bei uns), verstehe ich nicht, warum ausgerechnet der Mensch diesen Unterschieden nicht unterliegen sollte. Das Biologische ist, verglichen mit irgendwelchen soziologischen Regeln, die deutlich höhere Instanz.

        Das „in 200 Jahren sieht es evtl. anders aus“, habe ich blöd beschrieben. Hier ging es mir darum, zu sagen, dass es zukünftig ja wirklich so sein kann, dass Frauen z.B. in den MINT-Studienfächern die Mehrheit stellen und genauso viel, oder mehr, zum (technischen) Fortschritt beitragen wie Männer (Nochmal: Das heisst nicht, dass Männer irgendwie toller oder wichtiger wären) . Eine kleine Anekdote: Ich habe vor ein paar Jahren mit zwei Kolleginnen (deren Töchter kurz vor dem Abi standen) darüber gesprochen und beide waren der Meinung, dass Mädchen sich in der Vergangenheit nicht für diese Studienfächer entschieden haben, weil Sie von den Jungs und Lehrern (m) und den eigenen Eltern in der Schule in Mathe, Phsysik usw. irgendwie „kleingehalten“ wurden und ihnen nichts zugetraut wurde – das Interesse sei bei Mädchen aber *natürlich* genau so da wie bei Jungs. Im letzten Jahr haben beide Töchter dann angefangen zu studieren, die eine Literaturwissenschaft, die andere irgendwas ähnliches…Und die Muttis waren verwirrt. Naja, egal, eben nur ne Anekdote. Vielleicht gibt es sie demnächst ja millionenfach, die Ingeneurinnen.

        Und Gewalt: Gewalt ist natürlich nicht „gut“, sie ist nur eben eine Konstante, mit sich der Mensch auch in unendlich langer Zeit noch beschäftigen wird. Und meine laienhaften Privatmeinung nach, ist Gewalt und Aggression einfach ein sehr menschlicher Teil des Drangs die Welt zu gestalten.

        So, jetzt zum Sport, später mehr
        Viele Grüße
        Michael

        1. Michael

          Habe mir, als ich mich vorhin auf’s Fahrrad geschwungen habe, gedacht, ich würde mich für mein „Männer so und Frauen so“ Zeug schämen, wenn ich Soziopod25 höre…war aber nicht so. Das war eine sehr enttäuschende Folge. Das Schlimme war nicht, dass die Herren sich des schicken Wortes „Diskurs“ gefühlte 300 Mal bedienten, wirklich ärgerlich war, ab ca. Minute 38 der wirklich sehr schwache und völlig missglückte Versuch das vermeintliche Machtverhältnis zwischen Mann und Frau bei Flirt-Gesprächen herbeizureden. Schiff nicht versenkt, also nicht mal ansatzweise. Mir ist schon klar, dass man in einem Gespräch, das über eine Stunde dauert nicht immer druckreif sprechen kann, aber wenn man von einer Sache so überzeugt ist, wird man doch, wenn schon nicht elegant, dann aber doch wenigstens schlüssig mitteilen können, worum es gehen soll. Das Ergebnis steht fest, wie man zu diesem Ergebnis kommt, ist offenbar egal. „Der Machtfaktor ist versteckt“ Aha. Ok. Top-Argumentation. Und zu sagen „Ich kann über Dich verfügen weil ich ein Mann bin und du musst das hinnehmen, weil du eine Frau bist“ hat, zumindest in unseren Breitengraden und in dieser Zeit, absolut nichts mit der Realität zu tun. Ein Mann kann eben nicht einfach so über eine Frau verfügen. Mich wundert woher dieses höchst irritierende Selbstverständnis herkommt, Männer würden aus einer Position der Macht heraus auf eine bestimmte Art auf Frauen zugehen. Selbst Aufreißer-Typen nähern sich Frauen nicht plump, weil Sie glauben, Sie hätten „Macht“ über Frauen, sondern, weil Sie mit dieser Methode in der Vergangenheit mindestens einmal Erfolg hatten. Und wenn Frau Aufschrei-Ex-Piratin (den Eindruck, sie wäre besonders intelligent teile ich übrigens nicht) meint, „man würde relativ schnell merken worum es geht“, hat sie sicher recht, mir fällt dazu jedoch ein Comic-Strip ein: Bild 1: ein uncooler Typ spricht in einer Bar eine Frau an und bekommt einen Korb. Bild 2: Ein cooler Typ mach exakt das selbe und hat Erfolg bei der Frau…Der Soziopod 25 war leider wirklich enttäuschend, ich dachte ich würde hier einen interessanten Einblick ins Thema Feminismus usw. erhalten, bekam aber stattdessen einen Einblick ins Innenleben von Herrn Dr. Köbel (wenn ich die Stimmen richtig zugeordnet habe) erhalten „wer hmmhmmhmm will, muss freundlich sein“. Evtl. kein super guter Vergleich, aber wie unser aller lieblings-Hutzelmännchen Heinz v. Förster sagt: Stelle Leuten eine unentscheidbare Frage und du erfährst sehr viel mehr über die Leute als über das Thema der Frage. Sorry, dass ich die Kommentarecke dieser Episode hier gekarpert habe und mein Tonfall sicher viel zu polemisch war. Ich freue mich die restlichen Episoden zu hören! Finde Euch super. Viele Grüße Michael =)

          1. Thomas

            Oh da ist ja gleich noch ein Kommentar! Dann schreib ich auch gleich mal meinen Nächsten.
            Was das Machtverhältnis beim Flirt angeht wurden meiner Meinung nach zu starke oder missverständliche Formulierungen gewählt. Es geht definitiv nicht um Ausübung von Gewalt aufeinander. Aber ich finde die Geschlechter haben in gewisser Weise ungleiche Startbedingungen. Die Frau hat in der bei uns meistverbreitetsten und meistakzeptierten Bekleidung deutlich mehr zu zeigen als der Mann zum Beispiel. Auf eine Art hat sich die Frau für den Mann zu verbiegen. Das geht noch weiter mit Makeup und perfekt rasierten Beinen und wer weiß noch alles. So ziemlich alles, was am Schönheitsideal hängt ist sehr asymmetrisch. Dadurch kommt es sicher häufig zur eindeutigen Erwartungshaltung, dass diesem Ideal beidseitig nahe gekommen wird. Ist ja nicht nur beim Flirt so. Der andere wichtige Teil ist die Kommunikation (vor allem durch Körpersprache) wer wie sehr vom anderen abhängig ist. Das ist das was Herr Köbel mit dem von dir zitierten Satz ausdrücken wollte. Bloß im extrem, denn es zeigt die Karrikatur eines machos, wie man ihn wohl in echt kaum finden wird. Ich glaube das ist aber in leichten Ansätzen bei einigen Männern vorhanden, während es bei Frauen unter Umständen eher selten vorkommt.
            Dass du ein Ergebnis vermisst ist schade, aber da kann ich dir nur raten, das bei den nächsten Soziopod-Folgen auch nicht zu erwarten. Meist sind zwar die Themen in den wichtigsten Punkten abgedeckt und es wird eine Art Ergebnis präsentiert. Das würde ich aber eher als eine Zusammenfassung wichitger gesagter Inhalte verstehen. Zu deinem Ergebnis kommst du ja hoffentlich eh selbst.
            Der Feminismus kam wie du schon sagst kaum zu Wort, was ich aber bei dem Thema auch okay finde. Das ist gut und gern einen eigenen Soziopod wert. Vielleicht mit Gast (weiblich), damit nicht nur zwei Männer über dieses Thema reden? Wenn du zufällig woanders etwas gutes über Feminismus entdeckst, wäre es nett, wenn du es in einen kommentar schreibst, da mich das auch sehr interessieren würde.
            Was den Einblick in Herrn Köbels Inneres angeht sehe ich das schon wieder anders. Ja, man erfährt durch eigentlich alle Soziopods einiges über die Gedanken der beiden, die sie netterweise mit uns teilen. Da har Heinz vollkommen recht, und sie stellen sich ja andauernd unentscheidbaren Fragen. Allerdings heißt das nicht, dass Herr Köbel diesen Satz selbst für richtig hält, sondern eher es für auf die Gesellschaft passend hält. Abgesehen davon ist der Satz aus dem Kontext gerissen. Und generell finde ich ihn auch nicht so falsch, wenn man ihn nur richitg herum betrachtet. nämlich so, dass freundlich sein einem Tor und Tür öffnet, und zwar bei allem. Der Satz kann aber auch so verstanden werden, dass man nur freundlich ist um zu bekommen, was man will, was ich grundsätzlich falsch finde.
            Grüße, Thomas

          2. Michael

            Hallo Thomas,
            das ist ja lebendig hier, super.

            Ich fange wieder hinten an: es geht mir nicht um den satz „wer ficken will muss freundlich sein“, sondern um diesen hier von Hrn. Köbel: „wer hmmhmmhmm muss freundlich sein“. Also die verkniffene Version. Und
            eben hier meine ich zu erkennen, aus welcher Richtung argumentiert wird. Als ginge es auch darum eine männliche Urschuld abzuarbeiten. Und das Ergebnis
            scheint dann eben der ungelenke Versuch zu sein, den Machtfaktor (der scheinbar völlig kritiklos angenommen wird) auf Biegen und Brechen in Geschlechterverhältnisse von heute, in unserem Kulturkreis, unter Menschen „unseren Alters“ (50 oder 60+ klammern wir mal aus) einzubauen. Da ist für meinen Geschmack zu viel Ideologie im Spiel und hat mit meiner Lebenswirklichkeit auch wirklich überhaupt nichts zu tun, ich habe nicht mal Ausstrahlungen des
            Machtfaktors bei anderen wahrgenommen. Auf der anderen Seite oft erlebt habe ich, dass Frauen den Mann wechseln, wenn es einen Mitbewerber mit einem höheren sozialen Status gibt. Da darf man sich dann auch mal die Frage der Macht der Männer stellen. Aber Kriterien der Partnerwahl sind wieder ein anderes Thema.

            Zum Thema Dating: Ich denke auch, dass die Startbedingungen bei den Geschlechtern unterschiedlich sind, allerdings anders als Du. I.d.R. sieht sich der Mann in der Position, den Mut aufzubringen zu müssen eine Frau anzusprechen, die Frau entscheidet dann, wie es weitergeht. Das ist nicht gut oder schlecht, es scheint im Moment größtenteils so zu laufen. Der Frau fällt eher die Aufgabe zu sich hübsch zu präsentieren, der Mann muss seinen Mut beweisen (mal stark abgekürzt). Wer hier im Vor- oder Nachteil sein soll, weiß ich nicht, und wie der vermeintliche Machtfaktor da reinspielen soll ist mir, wie gesagt auch ein Rätsel (zurückhaltend formuliert).

            Zum „hübsch präsentieren“ noch etwas: Ich habe mal gehört, dass Frauen sich eher für andere Frauen stylen. Nicht um diese anzuziehen, sondern aus Konkurrenzgründen. Und da geht es dann nicht darum anderen Frauen die Männer wegzuschnappen, sondern darum in eine Art sportlichen Wettbewerb im Bereich „Fachkenntnis und Stil im Bereich Kleidung, Styling usw.“ einzutreten. Der gemeine Mann ist in der Regel nicht mal ansatzweise in der Lage Details und Nuancen, Themen oder Absichten des Kleidungsstils einer Frau zu erkennen. Finde ich auch interessant.

          3. Thomas

            Ja, mich freut die Diskussion auch, Michael. Allerdings stimme ich dir bei dem „als ginge es darum eine männliche Unschuld abzuarbeiten“ nicht zu. Und auch Ideologie konnte ich nicht mal in Ansätzen bemerken und diesen Eindruck halte ich für völlig ungerechtfertigt.
            Ich weiß jetzt auch nichts mehr zu schreiben und es stimmt ja, dass wir gerade mit dem Thema an der falschen Stelle sind. Es war jedenfalls ein interessanter Gedankenaustusch. Vielleicht lesen wir ja bei den nächsten Folgen in den Kommentaren nochmal voneinander.
            Bis dann oder auch nicht!
            Thomas

          4. Michael

            Kommt natürlich auf das Thema an, bin aber sicher irgendwann mal wieder dabei.

        2. Thomas

          Ich sehe durchaus Unterschiede zwischen männlich und weiblich, zweifle aber die wie du sagst grundlegenden sozialen Funktionen der Geschlechter stark an. Was das Biologische angeht gibt es einige Unterschiede, von denen alle (oder nur viele?) einen Einfluss auf unsere Gesellschaft haben. Manches weniges hat eine klare Funktion der Menschen zufolge, wie zum Beispiel die Frauen alleinig die Funktion übernehmen können, Kinder zu bekommen und dann in den ersten Monaten diese zu stillen. Das hat weitreichende Folgen, von der deutlich intensiveren Beziehung zum Kind bis zu schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt dadurch, dass die Möglichkeit eines „Ausfalls“ als Arbeitskraft für einige Zeit zurfolge hätte. Ich sage nicht, dass ich das gut finde aber ich habe die Befürchtung, dass es noch allzu oft so ist. Jedenfalls lässt sich feststellen, dass es aufgrund von Genen und Memen (von dem Konzept habe ich durch Herrn Breitenbach erfahren, nachdem ich mir selbst schon reichlich unvollständig Gedanken gemacht hatte, dass sich Ideen und Verhaltensweisen, eigentlich alles was sich kommunizieren und nachahmen/ denken lässt, nach dem selben Prinzip wie in der genetischen Evolution entwickeln)…also aufgrund von Genen und Memen haben sich Rollen gebildet. Ganz natürlich. In der Natur der Sache liegt eben genau das, dass es sich entwickelt. Das heißt, dass theoretisch auch ganz andere Rollen denkbar sind als die alten, wenn nur genetisch nichts dagegen spricht. Und das meine ich. Ich sehe durchaus Unterschiede, und auch welche, die sich nicht einfach beenden lassen, aber das sind meiner Meinung nach wenige. Bei 99% der Interaktion und Aufgabenverteilung zwischen Menschen haben Frauen für mich ganz selbstverständlich dieselben Möglichkeiten wie Männer. Und wenn etwas von Menschen des einen oder anderen Geschlechts geamcht werden kann, dann sind die Rollen Häufungen. Ja, im Durchschnitt gibt es immer noch erstaunlich große Unterschiede in der Weise wie Frauen und Männer in der Gesellschaft leben. Aber zu fast keiner dieser Eigenschaften der Mehrheit gibt es keine Minderheit, die eben gerade nicht dem aktuellen Geschlechterrollenbild folgt. Abgesehen ist da auch kulturell einiges verschieden. Das was du als Funktionen von Männern und Frauen ansiehst halte ich also größtenteils (ich hoffe du nimmst das nicht persönlich) für Unsinn. Es sind Rollen die zwar meist vorhanden sind, aber nicht so sein müssen (Ausnahme Kinderkriegen, wobei aus der Möglichkeit auch nicht der Zwang entsteht in die Rolle der Mutter zu gehen) und vor allem nicht natürlich sind. Natürlich ist die Entwicklung. Gerade was das Kulturelle angeht, entwickeln wir uns glaube ich gerade schneller denn je (was auch nicht nur gut sein muss), aber auch das ist ein natürlicher Prozess. Dabei werden bewährte Gesellschftsmodelle umgeworfen und neue ausprobiert und es wird sich höchstwarscheinlich etwas als erfolgrteiches Konzept herausstellen. Was natürlich ist erneuert sich immer wieder. Ich hlale sogar null Entwicklung für unnatürlich.
          Dass der Mensch ein weiteres Tier ist sehe ich auch so, wobei ich gleichzeitig auch einige Unterschiede sehe, gerade bezüglich des sozialen Verhaltens. Tiere können glaube ich nicht über die Rolle nachdenken, die sie in der Gruppe haben.
          Dass Gewalt geschichtlich eine Konstante ist leuchtet mir ein. Was du aus der Vergangenheit (in der die praktizierte Gewalt in weiten Teilen der Welt stark abnimmt in den letzten Jahren) für die unendlich lange Zeit schließen willst, ist mir ein Rätsel. Wenn ich mir die Welt ansehe, dann gibt es da viel Gewalt und Agggression, allerdings meine ich dazu dasselbe wie eben: Das ist der jetzige Status, der sich auch zumindest in seiner Ausprägung zu ändern scheint und solange ich Aggression nicht als solche in der genetischen Natur des Menschen wiederfinde, stehe ich dem sehr kritisch gegenüber. Bei mir selbst zum Beispiel habe ich festgestellt, dass ich man sich wenn man Gewalt ablehnt auch sehr gut einige durch die Sozialisation gegebene „Reflexe“ abkonditionieren kann wenn man will. Ich würde in Momenten wie diesem nciht sagen, dass Aggression und Gewalt Teil meines Drangs wären, die Welt zu gestalten. In anderen Momenten merke ich natürlich auch noch, dass vieles sehr tief in mir verwurzelt ist, was beispielsweise die emotionale Reaktion auf etwas das meine wichtigsten Werte mit denen ich mich identifiziere ankratzt angeht.
          Also obwohl ich dir in vielem was du schreibst nicht zustimme, finde ich deine meinung interessant und freue mich an der Diskussion.
          Viele Grüße
          Thomas

          1. Ist diese Diskussion jetzt nicht langsam etwas deplaziert? Es dreht sich hier plötzlich um das Thema der Episode 25. Vielleicht sollte sie dann auch entprechend dort stattfinden.

            Desweiteren finde ich es merkwürdig sich an der scherzhaften Bemerkung „wer ficken will ….“ so aufzuhängen, zumal ich das vermutlich sogar gesagt habe. Und es ist seltsam daraus dann Ableitungen auf das Innenleben von Menschen zu schließen. Auch nicht im Sinne von Heinz von Foerster, weil das einfach auch keine Antwort auf eine unentscheidbare Frage war, sondern einfach eine scherzhafte Aussage ohne konkrete Fragestellung.

            Jedenfalls würde ich mich freuen wenn auf Personen Rücksicht genommen werden. Ich stehe zu dem was ich sage, daher ist es unglücklich solche Aussagen auf andere Personen zu münzen und daraus Ableitungen zu stricken. Jedenfalls ist es immer für die Person, die das weder gesagt noch gemeint hat, ziemlich doof.

            Danke!

          2. michael

            ich hatte nicht vor, jemandem auf die Füße zu treten, sorry. dass das feedback nicht an der richtigen stelle platziert war, stimmt, aber das ergab sich aus dem gespräch mit thomas einfach.

            und es ging mir eben nicht um das „wer ficken will..“ sondern um die andere variante des satzes „wer hmm hmm hmm…“.

          3. Ich verstehe es trotzdem nicht. Also was daran jetzt so erhellend ist.

  4. @Nick_Lange_

    Bisher habe ich noch nicht die Ganze Folge Gehört – auffällig ist nur (wie so oft bei dem Themenbereich) das die Personen, die sich Wissenschaftlich damit beschäftigen, leider nicht den selbsttest angehen und mal einige ( 10-20 ) Stunden in solcherlei Spiele stecken( wofür es viele Gründe gibt – trotzdem schade)
    Das Beispiel der Spielhalle ist da nur ein minmaler Anteil der Realität der Spieler.

    1. Ich weiß nicht, ob Tobias Rothmund niemals einen Selbsttest gemacht hat. Ich habe selbst jahrelang intensiv gespielt, allerdings forsche ich auch nicht in diesem Bereich. Und Nils Köbel, der von der Spielhalle berichtete, forscht auch nicht in der Thematik.

      Was war jetzt an dem Spielhallen-Beispiel so außergewöhnlich?

      1. Michael

        Naja, weil es sowas wie Spielhallen, in denen Computerspiele gespielt werden evtl noch in Tokio, aber nicht bei uns gibt. Ich musste bei diesen Beispiel auch stutzen.

        1. Nils Köbel

          Ich war neulich in einer Spiele-Lounge in Frankfurt, da wurde auf großen Leinwänden gemeinsam Spiele auf Ps und X-Box gespielt.

          1. Aber zumindest sind sie hier im Spieleralltag eher selten anzutreffen. Die große Mehrheit spielt Zuhause im Wohnzimmer oder am PC (alleine oder mit Freunden).

            Ich finde das Format +1 sehr gelungen, da gerade bei diesem Thema man schon gemerkt hat , das ihr im Thema nicht wirklich drin wart.

            Als Beispiel einmal das Kommentar das ja nicht alle Spieler aggressiver werden.
            Ich denke mal bei Verkaufszahlen von GTA V, dass bisher alleine in Deutschland eine Million mal verkauft wurde, kann man davon reden das der Effekt eher eine Minderheit von Spieler betreffen sollte.
            Zweitens wurde im Kommentar zur Spielhalle der „Kopfschuss“ als besonders gern und spaßige ausgeführte Grausamkeit bezeichnet. Dazu muss man einfach sagen das der Kopfschuss in Shootern einfach das effektivste Mittel ist und eventuell in manchen Spielen auch die meiste Punktzahl gibt. Dh er hat mehr praktischen Nutzen im Spiel, als das er der „Befriedigung“ eines Gewaltbedürfnisses des Spielers dient.

  5. kinnla

    Soziopod ist… wenn nach den Nachrichten irgendso’n TV-Drama kommt und man dabei „Exposition“ denkt.

  6. neongolden

    Lieber Herr Junior Rothmund, lieber Dr. Köbel, lieber Herr Breitenbach,

    das neue format koennte sich toll entwickeln! Herr Rothmund hat schoen
    konkretisieren und re-framen koennen, was an „gefuehltem wissen“ ueber psychodynamik in die runde geworfen wurde. aber vielleicht lohnt es ja, trotz aller kuenftigen fremdexpertise die eigene vorbereitung nicht aus den augen zu verlieren. diese dreierkonstellation, mehr noch als das gespraech zu zweit, lebt ja vor allem von klugen fragen.

    ich kenn den soziopod noch nicht lange und hoere mich gerade ein bißchen
    kreuz und quer durch eure sendungen. mir ist aufgefallen, dass –
    verstaendlicherweise auch in dieser folge- immer wieder schuechtern aber beharrlich um den begriff „amok“ geworben wird, wie um das tollste maedchen der abschlussklasse, das sich aber niemand traut, wirklich kennenzulernen und schließlich zum ball auszufuehren. diese halb-liebelei laesst mich schon eine weile mit den hufen scharren. deshalb hab ich mal einige aktuelle erkenntnisse aus der amokforschung und der psychologie zusammengetragen.
    ICH BIN DAS GESETZ, DER RICHTER UND DER HENKER.
    ES GIBT KEINE HÖHERE AUTORITÄT ALS MICH. (Pekka-Eric Auvinen, 2007).

    soziologisch betrachtet ist amok nichts geringeres als die aufkuendigung des
    Rousseau´schen gesellschaftsvertrages (oder der „idee“ des Contract Social). amok ist ein massiver gewalteinbruch, der zeigt, dass das notwendigerweise von allen und zum wohle aller einander entgegengebrachte vertrauen nicht verlaesslich ist. auf berechenbarkeit und grundvertrauen in einem umfeld von kontingenz aber gruendet moderne gesellschaft.

    school shootings werden in der forschung als subtypus von amoktaten
    diskutiert, heben sich aber davon ab, u.a. durch das jugendliche alter der taeter, den spezifischen tatort und das auffaellige „leaking“, also die (mehrfache), direkte und/ oder indirekte ankuendigung der tat. es handelt sich um zielgerichtete, bewaffnete angriffe mit toetungsabsicht der lehrer und/oder mitschueler, die vorwiegend mit schuss- oder klingenwaffen verübt werden (Scheithauer & Bondü 2008). aufgrund der komplexitaet des themas moechte ich nur zwei aspekte aufgreifen:

    1.) risikomechanismen, psychische praedispositionen und -dynamiken bei moeglichen taetern
    2.) und – sehr kurz – first person shooter

    zu 1) Heubrock et al. tragen der multifaktoriellen(!) genese solcher taten
    in ihrem erweiterten heuristischen modell von 2005 rechnung:

    biopsychologische risikofaktoren (depression, suizidale tendenzen, depressive bzw.narzisstische persoenlichkeitsstruktur oder -akzentuierung)
    PLUS
    psychosoziale risikofaktoren (ablehnung, verlusterlebnis, soziale isolation, medien, gewalt- und rachephantasien und „leaking“)
    PLUS
    strukturelle risikofaktoren (zugang zu waffen, tatplanung/-entschluss und „leaking“)

    …widerspiegeln die derzeit wahrscheinlichste ausloeserkonstellation.

    zuallererst steht den „aeusseren“ ausloesern also immer eine persoenlichkeitsdisposition gegenueber, deren fundamente in der fruehen kindheit gelegt werden. nehmen die eltern die beduerfnisse und emotionalen zustaende ihres kindes nicht ernst oder sind sie ihnen nicht wichtig, dann bekommt das kind keine „spielwiese“, seine eigene staerke und aggression auszuprobieren und verliert die chance, ein „repertoire der attacke, der bemaechtigung und der gegenwehr“ (Boothe, 2011) zu erwerben. dieses repertoire aber wuerde ihm spaeter helfen, emotional belastende situationen und starke innere spannungszustaende in ein lebbares beziehungsverhaeltnis zu bringen. wenn dem kind diese fertigkeiten fehlen, kann es traumata und verletzungen aus der vergangenheit nicht aufloesen. es wird aufgrund der unabgeschlossenheit dieser ereignisse neue verletzungen als wiederholung der als katastrophal erlebten vergangenheit wieder-erleben. daraus resultiert haeufig eine diffuse angsstoerung, bei der die Integritaet Des Selbst als extrem
    bedroht wahrgenommen wird. das wiederum kann zur etablierung und manifestierung dysfunktionaler abwehrmechanismen fuehren, u.a. der
    aggression als destruktiver verhaltensdisposition und somit der entwicklung einer antisozialen persoenlichkeit. neuropsychologisch ist zu beachten, dass das „schmerzsystem“ im gehirn, also praefrontalcortex, thalamus und limbisches system auch dann reagieren, wenn sich menschen sozial ausgegrenzt, zurueckgewiesen und gedemuetigt fuehlen. auf diese weise wird jeder akt -auch psychischer- gewalt in den koerper eingeschrieben.

    die gestoerte selbstregulation mit ihrer großen vulnerabilitaet bereitet
    fruchtbaren boden fuer die entwicklung einer depression mit oder ohne
    suizidaler tendenz oder einer narzisstischen persoenlichkeitsstoerung.
    depression und narzissmus sind die am haeufigsten (teilweise auch durch
    biochemische analyse post mortem) diagnostizierten stoerungen bei school shootern. Baudrillard beschrieb 1992 sehr treffend, dass der narzisstisch auffaellige jugendliche „Impressario seiner eigenen Erscheinung“ sein moechte. er entwickelt dazu durch abwertung anderer personen strategien narzisstischer selbswerterhoehung und neigt zu einer erheblich verzerrten, allmacht-inkludierenden selbstwahrnehmung (s. Eingangszitat Auvinen). von seinem umfeld fuehlt er sich verkannt und erleidet so eine schwere kraenkung nach der anderen. es wird angenommen, dass diese heranwachsenden school
    shootings als „exitstrategie“ sehen, mit der moeglichkeit durch erniedrigung anderer die eigene statusunsicherheit auszugleichen (Huck, 2012). er will und wird sich “respekt verschaffen“, weil seine vorangegangenen drohungen nicht ernst genommen wurden (Leary et al. 2003).

    die deutung von school shootings bei jugendlichen mit depressiver persoenlichkeitsakzentuierung hingegen geht eher in richtung rachefeldzug fuer subjektiv erlittenes unrecht und wird inszeniert als akt der wiederherstellung subjektiv empfundener gerechtigkeit (Robertz , 2004).

    der hass depressiver taeter gegen andere hat viel mit selbsthass zu tun, viel mit den unfaehigkeit, sich selbst anzunehmen. fuer beide stoerungsbilder wird zudem als geltend erachtet, dass die gezielte toetung von als erniedrigend-empfundenen lehrern und mitschuelern als analogie interpretiert werden kann: ihr habt mich von einem gemeinschaftlichen leben ausgeschlossen, jetzt schliesse ich euch aus. ohne chance auf wiedergutmachung.

    es liesse sich noch viel zur psychopathologie, zur genese des tatablaufs, zum geplanten suizid oder zum suicide- by-cop-phaenomen, zu leaking, medialer aufarbeitung und zur praevention zusammentragen, aber das koennt ihr ggfs. gern mal zu eurem part machen, lieber Nils und lieber Patrick!

    fuer die definitionen von depression und narzissmus bitte im ICD-10
    nachschlagen.
    zum thema amok und school shooting seien bei interesse waermstens
    empfohlen:
    . Huck, W. (2012). Amok. School Shooting und zielgerichtete Gewalt.
    Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin.
    .Scheithauer, H. & Bondü, R. (2008). Amoklauf. Herder, Freiburg, Basel, Wien.

    psychodynamische hintergruende:
    . Mentzos, S. (2011). Neurotische Konfliktverarbeitung. Fischer, FFM.
    . Riemann, F. (2011, 40. Aufl.). Die Grundformen der Angst. Ernst Reinhardt, München.

    2.) computer games – first person shooter
    was ihr, glaube ich, bei FPS-spielern ueberschaetzt, ist das libidinoes
    besetzte verhaeltnis zur gewalt. im gegensatz dazu unterschaetzt ihr meines erachtens die kompetitive komponente der spiele erheblich. selbst wenn man gegen sich selbst oder den computer spielt, macht es spaß, sich anzustrengen, immer genauer und effizienter zu werden. ueber sich selbst zu triumphieren, dafuer sofort belohnt zu werden, keine sanktion, keine negative konsequenz fuerchten zu muessen fuer aggressives verhalten (so anders als im „richtigen leben“).
    dass die erfahrung von pseudo-selbstwirksamkeit im kontext von machtausuebung durch gewaltvollzug bei einigen spielern (mit entsprechender persoenlichkeitspraedisposition) dann aber doch eine große wirkmaechtigkeit ausueben kann, bleibt ungenommen.
    die frage, die wir uns aber stellen muessen, und da folge ich Scheithauer, ist viel basaler: „Können wir moralisch vertreten, dass das Töten von Menschen – in Bildern oder durch aktive Beteiligung im Spiel- einen „Freizeitwert“ und Einzug in die Kinderzimmer erhalten soll?“.

    ich denke, nicht.

    (superbeispiel fuer „komma rettet kontext“, hehe).
    einen schoenen abend noch.

    1. simcup

      warum ist harry potter „allgemeines kulturgut“ und GTA V nicht? nun bin ich mir bewust, das in meiner filterbubble GTA V wesentlich praesenter ist als in „der allgemeinheit“, aber kann es sein, das der gast ebenfalls das filterbubble problem der belesenen akademiker hat?

      1. simcup

        srz war nicht als antwort auf neongolden gemeint, habs verpeilt

    2. Michael

      Toller und interessanter Beitrag, merci

  7. Bruno

    Interessanter Input und Gast. Ich hätte mir nur gewünscht, dass es mehr zusammenfassende Punkte gegeben hätte nach jedem Abschnitt.

    Freue mich schon auf den vernünftigen Jahresrückblick und hoffe auf mehr rhetorische Einlagen von Doktor Köbel (die für meinen Geschmack in dieser Folge zu kurz gekommen sind).

  8. Rico

    Tolle Episode, vor allem gefällt mir das Intro 🙂

    Ein Buchtipp zum Thema „Gewalt in den Medien“:

    On Killing: The Psychological Cost of Learning to Kill in War and Society

  9. Franz von Hahn

    Hallo, musste darüber nachdenken, dass gar nicht thematisiert wurde wie abstrus das Simulieren von Tötungen eigentlich ist. Ich meine, simulierte Vergewaltigungen wären sicherlich gar nicht O.K. Aber bei der Gewalt bleibt die Möglichkeit, sie könne Gutes bewirken. Und noch etwas: Spiele sind auch nur ein Medium um eine Geschichte zu erzählen. Und GTA 5 kritisiert auf sehr interessante Art und Weise das Foltern.

  10. Doc

    Herr Breitenbach und Dr. Köbel,

    es ist an sich eine gute Idee sich Experten hinzu zu holen um über ein Thema zu diskutieren.

    Nur wird es natürlich schwierig, wenn sich diese Person um konkrete Aussagen bzw. Interpretationen herumwindet wie ein Aal und auch auf Nachfragen von Ihnen beiden sich nicht greifen lässt.

    Das war sehr schade.

    Es hat sich ein Professor dargestellt, welcher scheinbar eifrig Forschung betreibt mit Experimenten einerseits und Interviews andererseits zu durchaus interessante Fragestellungen, und kann allerdings praktisch keine Ergebnisse vorweisen außer sich im „sowohl als auch“ und ansonsten im Konjunktiv zu ergehen, welcher aber wiederum so allgemein gehalten ist, um auch die letzte Interpretation, das letzte zarte Theoriepflänzchen ins nebulöse zu verwässern.

    Und dafür streicht dieser Mann mehrere tausend Euro monatlich ein. Soweit so nett.

    Vermutlich ist er unter seinesgleichen und gegenüber seiner Studenten konkreter, aber man hatte hier beim zuhören ständig das Gefühl dass da ein Forscher sitzt welcher äußerst vorsichtig in der Öffentlichkeit agiert, um ihm ja nichts anhängen zu können im Sinne von: „Ja, aber im SozioPod haben Sie doch gesagt,…“.

    Wie gesagt: Schade.

    Laden Sie doch das nächstemal jemanden mit mehr Substanz ein. Jemand welcher auch mal konkret vielleicht sogar provokante Thesen auf den Tisch legen kann mit welchen sich arbeiten lässt.

    Diese 2 Stunden waren Zeitverschwendung.

    Ich glaube auch das in der Lobhudelei am Ende von Herrn Dr. Köbel viel Heuchelei steckte, welches sich mit „einer Krähe hackt der anderen,…“ und „netzwerken“ vielleicht erklären lässt.

    BTW: Weshalb hat sich Dr. Köbel gerade bei diesem SozioPod anfangs NICHT mit Doktor anreden lassen.

    Hier spielt viel Unterwürfigkeit und oben genanntes mit hinein.

    Natürlich ist das vor dem Hintergrund der eigenen Karriereplanung (Prof.) allzu verständlich, aber für Hörer welche mit der notwendigen Intelligenz ausgestattet sind doch eher mühsam sich 2 Stunden ein eigentlich interessantes Thema anzuhören und am Schluss festzustellen, dass die Zeit für die Katz war.

    Reflektiert mal darüber nach.

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