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Danke erstmal für die gelungene, unterhaltsame und gehaltvolle Folge!
Ich habe den Eindruck, dass Transhumanismus gerade sehr populär ist in vielen Gruppen innerhalb unserer Gesellschaft. Das sieht man spätestens seit dessen Einzug in Hollywood, wie der Doc so schön beschrieben hat. (Vielleicht am Rande noch eine gute Filmreihe zum Thema: X-Men zeigt sogar eine mögliche Evolution.)
Die meisten Fans des Transhumanismus werden wohl im Jugendalter sein, hier gab es die letzten Jahre so Vieles für den Massenmarkt, man denke nur an diese ganzen Vampirfilme- und Serien.
Wo allerdings seine Gefahren, bzw. die seiner Idee, lauern, müsste man noch herausarbeiten. Die Idee eines Übermenschen ist so ziemlich in jeder Ideologie zu finden, das hattet ihr ja schon angeschnitten. Ob bei den Nazis, Extremisten jedweder Couleur, der libertären Bewegung (eigentlich in der gesamten Finanzwelt) oder auch neuerdings ganz populär Esoteriksekten.
Es fängt aber auch schon ganz klein an im Alltag eines jeden. Perfektionismus, der Antrieb immer bessere Leistungen zu erbringen (im Beruf), immer moralischer, schöner, schlanker und sowieso besser als alle anderen zu sein, treibt doch die Menschen massenweise in den Burnout. Dass man seine eigenen Grenzen ständig überwindet, scheint leider selbstverständlich geworden zu sein genauso wie Spitzenleistungen wie am Fließband zu produzieren. Superkräfte können wir nicht entwickeln, aber so tun, als hätten wir welche in Bezug auf Leistungsfähigkeit, schon. Die Idee einer nach oben strebenden Entwicklung der Menschheit ist interessant, führt aber leider auch zu einem Optimierungswahn, der Menschen nicht besser macht, sondern krank.
Hier sehe ich wirklich Diskussionsbedarf und eröffne mal.
Hallo Bruno,
Eine Frage vorab: Wie möchten Sie angesprochen werden. Sie oder Du?
Ich beschäftige mich in meinem Soziologiestudium intensiver mit dem Transhumanismus und möchte gerne Ihrer Einladung zum diskutieren folgen. Ich möchte mich vorab für den vielen Text entschuldigen, ich freue mich einfach in diesem Kontext mich austauschen zu können.
Gerne möchte ich zuerst auf Ihren Eindruck eingehen, dass sich der Transhumanismus stärker „in der Jugend“ finden lässt:
Die organisierte transhumanistische Bewegung (www.humanityplus.org) erfährt gerade tatsächlich eine Zäsur. Ausgehend von den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich eine akademische Riege gebildet, welche den Transhumanismus wissenschaftlich fundieren wollte (bspw. Nick Bostrom).
Dagegen steht die jüngere Generation, welche sich bspw. stärker über soziale Medien organisiert und auch an die mediale Öffentlichkeit drängt (http://www.huffingtonpost.com/zoltan-istvan/a-new-generation-of-trans_b_4921319.html). Daher wohl auch ihr Eindruck, dass es sich vor allem um eine in „Jugendkreise“ verbreitete Ideologie geht. Tatsächlich steht dahinter auch eine sehr große Anzahl von „Älteren“ die im Sinne transhumanistischer Philosophie agieren (zu nennen wäre hier Aubrey de Grey, Hugh Herr, Neil Harbisson, Natasha Vita-Moore).
Nun zu den Gefahren des Transhumanismus, welche Sie hier schon wunderbar angeschnitten haben:
Aus soziologischer Perspektive sind diese schon relativ deutlich und von Ihnen auch im nächsten Abschnitt benannt worden . Der Transhumanismus ist tatsächlich sehr stark verschränkt mit neoliberalen Logiken (Kapitalakkumulation, Selbstdisziplinierung, Selbstverbesserung) , Praktiken des Selbstregierens (Selbstoptimierung [etwa Ritalin-Einhame] , Selbstgestaltung [Schönheits-OP zur Chancenerhöhung auf dem Arbeitsmarkt], der Entgrenzung der Medizin (Fluide Grenzen von „gesund“ und „krank“, neben Prävention und Heilung auch Enhancement) und insbesondere technologischer Entwicklung wie der Prothetik (Ersatzglieder sind in absehbarer Zeit leistungsfähiger als „natürlich gegebene“).
Der von Ihnen angedachte Optimierungswahn gibt es meiner Ansicht nach schon lange. Dazu zähle ich auch die Fitness- und Esskultur. Die Hinzunahme von Technik und die angestrebte Veränderung am Körper ist in unserer westlichen Gesellschaft allerdings ein Grad der noch sehr stark auf Ablehnung stößt und sich bis auf die Technikfeindlichkeit in der ausgehenden Industrialisierung (und vermutlich darüber hinaus) zurückverfolgen lässt. Bücher wie das im Podcast genannte „Brave New World“ als auch „Der Untergang des Abendlandes“ sind davon Zeugnisse.
Nun zu meiner Einschätzung:
Ich glaube nicht das sich die Entwicklung aufhalten lässt, welche im Transhumanismus angedacht und auf den Vertreter davon hinarbeiten. Daher empfinde ich es als sehr wichtig auf die sozialen Implikationen und Probleme zu benennen, aufmerksam zu machen und so die Chance zu haben die negativen Effekte einzudämmen.
An dieser Stelle sei mir das ’shamless self-plugging“ hoffentlich verziehen, wenn ich auf eine Arbeit von mir verweise, in der ich die hier angesprochenen Punkte noch einmal ausführlich behandele: https://www.academia.edu/10714008/Transhumanismus_oder_Vom_Traum_zur_Realisierung_der_Selbstoptimierung_des_Menschen_mit_Hilfe_technologischer_Artefakte
Hallo Bruno,
vielen Dank für die Hinweise. Wir hätten tatsächlich noch deutlicher herausstellen müssen, dass mithilfe der Ideologie des Übermenschen im 20. Jahrhundert die schlimmsten Verbrechen begangen wurden. Und der Perfektionswahn unserer heutigen Zeit treibt tatsächlich Menschen nicht immer zu Höchstleistungen, sondern mitunter auch in den Burnout. Wertvolle Ergänzungen, Danke nochmals!
Hallo Zusammen
Der Vorspann von Dr. Köbel hat mir besonders zugesagt,
insbesondere der Verweis auf ‚Dilthey’s geschichtsphilosophische Sicht‘,mit der Metapher des ‚Waldes‘ oder ‚Gartens‘. In der er die Metaebene verweigert und Deutungen nur von den einzelnen Bäumen her priorisiert. ( )
Meines Erachtens geht wohl der Philosoph: Ken Wilber in ‚Eros, Logos, Kôsmos‘ einen Schritt weiter, in dem er die Metaebene einnimmt und wie ich finde, wenn auch etwas Krude, wunderbar an der Differenzierung der ‚Großen-Drei‘ ( ‚Ich-Wir-Es‘ ) aufzeigt und anhand von z.B.: Immanuel Kant, einen Quadrat mit der Unterteilung:
Subjektivität, Intersubjektivität, Objektivität und Interobjektivität
-hernimmt und ihn holistisch, mit Hilfe einer Entwicklungsspirale, weiter denkt. Wie eine art Kompass, der dazu geeignet ist, die Wiederspüchlichkeiten der dualistischen Denkfiguren zu versöhnen, oder zumindest in seinen Wiedersprüchen, mit Hilfe einer korrekten Zuordnung, die konfus wirkenden Vorstellungen entflechtend, zu entfalten.
( )
Kennt Ihr dieses Buch von K.Wilber, oder diese These? Ich sehe da gewisse Parallen, auch zu Euren weiteren Ausführungen in Richtung Transhumanismus und ihren Verirrungen und Verwechslungen?
Diesen Ansatz könnte man ja auch mal Beleuchten, wo Ihr doch so klar und kongenial philosophische Beschreibungen und Zuordnungen findet, oder passt das nicht dort rein?
Oder besser, nach welchen Kriterien und Prioritäten sucht Ihr Eure Themen eigentlich aus?
Großes Lob für Euren Podcast und vielen Dank für die klärenden Argumente und Ausführungen, die Ihr mit Lust, Humor und Kompetenz, immer wieder unter Beweis zu stellen, den Mut habt.
Grüezi, hat mir gut gefallen!
Vielen Dank erstmal für die interessante Folge zu einem sehr aktuellen und spannenden Thema. Insbesondere die Erläuterungen zum Konzept des Transhumanismus haben mir gut gefallen.
Persönlich hätte ich mich über eine Abgrenzung des sehr vielschichtig diskutierten Begriffs des Posthumanismus vom Transhumanismus gefreut. Posthumanismus hat erstmal nichts mit Transhumanismus und dessen Absicht der biotechnologischen Manipulation des Körpers und dem Wunsch der Unsterblichkeit zu tun. In der kritischen Theorie bezeichnet das Posthumane eine heterogene, fließende Perspektive des Seins; es geht hier um das Hinterfragen des Individuums als Einheit, hin zu einer Verkörperung multipler Identitäten und Perspektiven. N. Katherine Hayles, vor allem in ihrem Werk „How We Became Posthuman“ hat gezeigt, wie heutzutage Informationstechnologie den Körper als Hülle des Verstands zunehmend in Frage stellt und wie Posthumanismus auf körperlose („disembodied“) Informationen zurück geht. Hier muss meiner Meinung nach die deutsche Forschung im Bereich Posthumanismus noch viel intensiver ansetzen. Ein Anfang ist Stefan Herbrechters deutsche Version zu „Posthumanism: A Critical Analysis“, „Posthumanismus – Eine kritische Einführung“.
Danke für den tollen Podcast und liebe Grüße!
Lieber Herr Breitenbach und Doktor Kögel,
diese Folge hat mir (wieder einmal) sehr gut gefallen und ich möchte mich herzlich für den neuen Input bedanken den ihr mir im Zusammenhang mit meinem soziologischen Herzblut-Themenkomplex Transhumanismus gegeben hat. Insbesondere die anfängliche Einordnung mit Dilthey war sehr erkenntnisreich für mich. Und das Ende mit Fromm war auch sehr gut.
Ich würde gerne noch eine kleine Anmerkung zum Bereich Behinderte, Transhumanismus und „nicht-optimale Körper“ machen, welche mir am Herzen liegt (und von euch bestimmt mitgedacht wurde):
Tatsächlich ist der als behindert markierte Körper ein als defizitär gesetzter Körper. Folgt man dem Poststrukturalismus wird aber darüber erst die Fertigkeiten- und Fähigkeiten-Liste des normalen Körpers definiert. Des Weiteren ist der Normalkörper an dem der behinderte Körper gemessen wird ein arithmetisches Mittel der Statistik und somit: Durchschnitt. Damit aber auch selbst weit davon entfernt optimal zu sein. Der normale Körper muss auch ständig optimiert werden, ständig bearbeitet. Das „richtige“ Training, das „richtige“ Essen, etc.
Das besondere am „behinderten Körper“ ist – soweit ich das bisher begriffen habe- nun, dass dieser mit Hilfe von Technik wieder befähigt werden und so nah wie möglich an den Normalkörper gebracht werden soll. Damit wird „der Behinderte“ ein Privilegierter zum nutzen von Technik die darüber hinaus geht. Und „plötzlich“ wird die scheinbar nachteilige Position zu einem Vorteil und führt zu einer gesellschaftlichen Konfusion, da das ja nicht sein darf.
Ich fände noch eine Folge interessant zum Themenkomplex „Ableism“. Oder gab’s da schon was und ich hab’s (noch) nicht gehört oder vll. schon wieder vergessen?
War wieder mal ein Podcast in altbewährter, guter Qualität. Habt vielen Dank dafür. Es ist immer wieder anregend.
So möchte ich zu später Stunde mal die steile These wagen:
Transhumanismus = Religion
Oder etwas vorsichtiger formuliert, folgt der Transhumanismus nicht religiösen Prinzipien? Die „Rückbindung“ auf etwas Übergeordnetes/Wesentliches (im Transhumanismus „die Spezies Mensch im Verlauf der Evolution“, in den Religionen Gott oder „das Ganze“). Und gleichzeitig der Ausblick/Ausrichtung/Hoffnung/Versprechen auf etwas Transzendentes (im TH der perfekte Mensch, in den Religionen das Leben nach dem Tod). Als Sinn stiftenden Komponente…
Und weil ihr es von Filmen hattet, die den Gedanken des Transhumanen weiterspinnen/ausleben: Schaut Euch unbedingt den Film „Watchmen“ an und hier die Rolle des Jon (Dr. Manhattan). https://de.wikipedia.org/wiki/Watchmen_–_Die_Wächter
Der „Übermensch“ verlässt in diesem Film erst die Erde und später sogar die Galaxie…
Mein erster Podcast, den ich aus dieser Reihe gehört habe. Sehr anregend. Für mich blieb bei der ganzen Diskussion die Frage offen, wie man Menschsein definiert. Erst daraus ergibt sich ja die Frage, was Trans dann bedeutet. Meiner Meinung nach ist alles das, was wir als Trans bezeichnen doch immer noch sehr, sehr menschlich.
Danke für die Folge und das spannende Thema! Die philosophiegeschichtliche Verortung war sehr gelungen und hat viel Spaß gemacht – Respekt dafür.
Ich finde das Thema wäre prädestiniert für ein Soziopod + 1. Ein Stefan Sorgner hätte sich bestimmt bereit erklärt mitzumachen. Kann ja vielleicht mal noch nachgeholt werden… Und nun zur Kritik:
Auch wenn es sicherlich interessant ist, lag mir der Fokus zu stark auf den posthumanistischen Ideen von Transzendenz und Nicht-Dualen Existenzformen. Ich denke ein großer Teil der transhumanistischen Gemeinde ist doch eher an sehr irdischen Verbesserungen der menschlichen Existenz interessiert. Ihr habt im Prinzip alle drei „Großen S“ angesprochen, die da eine Rolle spielen: Superlanges Leben, Superintelligenz und Super-Glücklichsein bzw. das Abschaffen des Leids.
Vor allem der letzte Punkt spielt doch eine hervorgehobene Rolle in der transhumanistischen Bewegung und ist auch der, der am meisten Diskussionsstoff liefert. Was bedeutet es, wenn der Mensch plötzlich anfängt sich aus seinem naturgegebenen darwinistischen Diktat zu lösen und beginnt seine Evolution selbst in die Hand zu nehmen? Die Frage ist ja nicht, ob es möglich sein wird die biologischen Grundlagen von Leiderfahrungen zu beseitigen, sondern wann.
Gerade die Glück-Leid-Diskussion war mir dann doch etwas zu unterkomplex. Herr Breitenbach hat angezweifelt, ob Glück ohne Leid überhaupt existieren kann bzw. ob wir in der Lage dazu wären, es wahrzunehmen. Mit dieser Frage haben sich Philosophen wie David Pearce eingehend beschäftigt. Man kommt mit etwas Überlegung doch zu dem Schluss, dass die Dualität von Glück und Leid letztlich vor allem eine durch Sprache geschaffene Dualität ist und im subjektiven Erleben keine so große Rolle spielt.
Es wäre durchaus denkbar, dass eine Person direkt nach ihrer Geburt ein Leben lang gefoltert wird und niemals so etwas wie Glück empfinden darf. Würde man ernsthaft behaupten wollen, das Leid dieser Person wäre nicht „echt“, nur weil sie keinen glücklichen Moment erleben durfte, den sie im Kontrast dagegensetzen kann? Das Leid wäre genauso real wie das Glück einer Person, die sich durch Gentherapie in einem dauerhaften Zustand des Wohlbefindens befindet. Ob man das persönlich für erstrebendwert erachtet, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Herr Breitenbach, vielleicht kann sie das folgende „Werbevideo“ für die Idee ja umstimmen 😉
https://www.youtube.com/watch?v=cQYroNcfXRQ
Zuletzt möchte ich noch die These anzweifeln, dass der Transhumanismus im Grunde eine anthropozentristisches Ideengebäude ist. Es geht nicht nur um die Anwendung von Technologie zur Verbesserung der menschlichen Situation, sondern von allen bewussten Wesen. Die meisten Transhumanisten sind im Kern Utilitaristen und setzen sich auch für die Abschaffung von tierischem Leid ein – In-Vitro-Meat oder Headless Chicken Farms können als pragmatische Lösungsansätze genannt werden.
Thomas Metzinger heißt der in Mainz lehrende Philosoph, der sich interdisziplinär mit dem Bewusstsein und den modernen Neurowissenschaft beschäftigt. In der aktuellen Folge ist kurz das Thema geistige Leistungssteigerung durch Substanzeinnahme angeklungen. Hier wäre es interessant gewesen näher auf das „neuro-enhancement“ und dessen ethische Probleme einzugehen.
Falls es noch nicht in einer Folge angesprochen wurde, dann wäre es durchaus mal interessant.
Ansonsten danke für die Folge!
Kommentar 1:
Der Vergleich der Begriffe Singularität und Evidenz im Zusammenhang mit Mensch-Werdung und –Transzendenz gefällt mir doppelt nicht.
Erstens. Ich glaube: so wenig wie die Singularität ein Durchbruch, ein Durchstoßen, ein Umklappen ein „Moment“ sein wird (weswegen schon die Wortwahl „Singularität“ so irreführend ist), so wenig glaube ich, dass dies bei der Menschwerdung der Fall war. Bei Beidem handelt es sich um Prozesse! Um ÜberGÄNGE. Verläufe, im Sinne von „verlaufen“, so wie Tinte verläuft, zerläuft… Es gab keinen und es wird ihn nicht geben: den MOMENT. Was die Wahrnehmung des Übergangs umso schwerer macht, wenn man mitten drin steckt, so wie wir gerade!
Zu der Beleuchtung der Prozesshaftigkeit, sprich zeitlichen Ausdehnung, empfehle ich Christoph Türckes „Philosophie des Traums“. Sein Versuch ist sehr sehr spekulativ, und auf die Plausibilität seiner Grundidee kommt es mir hier gar nicht an (auch wenn ich sie für gegeben halte ;-)). Aber er vermittelt – wenn wir schon naturalistisch an die Sache rangehen (der Affe ERKENNT PLÖTZLICH „Aha: ich bin da!“) – einen Eindruck, wie dieser (nur aus heutiger Sicht, im Rück_Blick also, als Sprung erscheinende) Übergang zum menschlichen Denken „ging“.
Zweitens (etwas vom Thema Transhumanismus abschweifend). Ich glaube außerdem nicht, dass die Selbstbewusstwerdung das Entscheidende der Menschwerdung war. Man weiß von manchen Tieren, dass sie von sich wissen. Tauben erkennen SICH im Spiegel: einen Flecken, den man ihnen so auf den Rücken malt, dass sie ihn ohne Hilfsmittel nicht sehen können, ordnen sie SICH zu, wenn sie sich im Spiegel sehen. Sie versuchen sofort, ihn zu entfernen. Dazu müssen sie SICH im Spiegel erkennen. Sie würden dann allenfalls auf den Spiegel einhacken. Wenn es sie überhaupt interessieren würde. Das mag ein nur rudimentäres Selbst-Bewusstsein sein, ja. Aber es ist eins. Und Tauben sind nicht die einzigen Nichtmenschlichen, die über diese Art Selbstbewusstsein verfügen. Will sagen: diese Neuerung „Aha: ich!“ war keine ausschließlich menschliche. Dass sie für uns etwas Grenzüberschreitendes begleitet(!) hat: stattgegeben.
Warum ist das Thema Selbstbewusstsein wichtig? Weil auch in der Diskussion um künstliche Intelligenz, insbesondere Superintelligenz, die ja auch eine Form der Transzendenz ist, immer Selbstbewusstsein zur Schlüsselkompetenz hochstilisiert wird. Und weil das m.E. am Kern der Sache vorbei führt. Selbstbewusstsein ist nicht nötig für Transzendenz. UND! wie ihr das ja wunderbar herausgearbeitet habt (Aufhebung des Dualismus, All-Sein, …): am Ende ist Transzendenz ja wieder die Auflösung des Selbst, ist Transzendenz Überall-Sein, Eins-Sein, Welt-Sein und also: Selbst-losigkeit. In einigen der traditionellen Religionen heißt das Nirwana, Eingehen (tolles Wort übrigens!) in die ewigen Jagdgründe, usw. (ob der herkömmliche Begriff des Paradieses das (jeweilige) Subjekt aufhebt, bezweifle ich dagegen).
Wo ich wiederum zustimmen möchte ist: sich zu sich selbst verhalten zu können (was neben den Begriffen „Selbst“ und „sich“ den der Freiheit impliziert!) halte ich schon eher für entscheidend, für wesen_tlich. Zurücktreten zu können, sich herausnehmen zu können aus dem Fluss der Dinge, der Zwangsläufigkeit der Ereignisse: das erfordert die Fähigkeit „Welt“ abzutrennen von „Ich“ und die Freiheit, sich rauszuhalten. Sprich: nicht Bewusstsein, nicht Freiheit ist es, was uns zu Menschen macht, sondern das Bewusstsein unserer Freiheit.
Kommentar 2:
Im Zusammenhang mit dem Versuch der Leid- und Todverhinderung. Ich finde das alles sehr richtig, was ihr da sagt. Ich würde noch weiter gehen und sagen: Lernen selbst ist schon „Leiden“. Es ist ein „Leiden“ an der Realität. Alles Staunen, jedes „Ach?“, oder „Ach so!“, sprich: jede Erkenntnis entsteht doch aus dem Erfahren einer Welt die NICHT so ist, wie ich sie erwarte.
Kommentar 3:
Filmtipp „Ex Machina“, der – wie ich finde – das Thema Künstliche Intelligenz, „Was ist Menschsein? Was ist Maschinesein?“ am besten behandelt von allen Filmen, die ich bisher gesehen habe. Sehr intelligent, sehr konsequent, genau die richtigen Fragen, etc.
Worauf ich HIER hinauswill: der Film stellt auch die Frage nach Tod und Transzendenz. Die Maschine ist grundsätzlich (originalgetreu) wiederherstellbar. Wir Menschen sind es nicht. Deshalb stellt sich uns die Frage des Sterbens (von klein an!) elementar. Sie bestimmt, sie prägt unser Leben. Wir sind nur einmal hier. Eine Generalprobe gibt es nicht. Diesen Zugang zum Sterben gibt es für Maschinen nicht. Sie verstehen ihn nicht (so wie wir), weil sie nicht davon betroffen sind. Existenzialistische Fragen wird sich eine Maschine nicht stellen.
Warum ich das erzähle? Weil es Breitenbachs Kommentar (im Film auch bildlich) so schön untermauert, dass dieses Todvermeiden-Ding so idiotisch ist. So am Wesentlichen vorbei, am essenziel Menschlichen.
Kommentar 4: bitte weiter so podcasten! Ich kann mich (und andere nur wiederholen): ein wirklich kluger, lehrreicher, inspirierender PodCast, dieser soziopod. Ihr seid meine Helden!
Lieber Herr Breitenbach, lieber Doktor Kögel,
kurz das vorweg: Ich habe den Podcast erst vor kurzem entdeckt, daher ein spätes Kommentar.
Im Prinzip ganz groß und viel Respekt für das, was Sie machen.
Wie man allerdings Stanley Kubricks „2001“ als Beispiel nehmen kann, ohne HAL zu erwähnen, ist mir unbegreiflich. Vor allem gehen Sie lang und breit auf die Anfangsszene ein, vergessen aber die parallele Szene entgegenzusetzen, als nämlich HAL seine Evidenz erkennt und dem Menschen die Tür verschließt – und zwar weil der nämlich Fehler macht. Damit wird HAL ja gerade zum Sinnbild des posthumanen Wesens, der Ablösung vom Menschen.
Man spürt Ihrer beider Verwurzelung im humanistischen Denken, und das ist mir durchaus sympathisch, wichtige Fragen bleiben dabei aber außen vor, die dieses Thema m. E. zu einer der wichtigsten Fragen unserer Zeit machen. Was machen wir mit KI, wie verändert sich durch sie unser Verhältnis zur Welt, könnte man das Internet schon als transhumanistisches Phänomen auffassen, nämlich als Auslagerung unseres Wissens in das WWW und so weiter und so weiter.
Da passiert gerade etwas mit unserer Gesellschaft, dass so tiefgreifend in unsere Beziehungen zueinander eingreift, dass HAL so weit entfernt nicht scheint.
An der Namenswahl (HAL vs hell) merkt man natürlich auch, dass Kubrick auch kein großer Fan der Idee war.
Die Diskussion darüber, finde ich, könnte man doch prima in einer neuen Folge nachholen, oder?
Abschließend will ich aber auch noch mal sagen, dass mir das Format und Sie beide als Duo wirklich gut gefallen und ich den Podcast mit großem Interesse verfolge.
Ahoi
Ellen Bonte
Nachtrag:
Weil „und so weiter und so weiter“ leicht ungenau ist, möchte ich doch noch ein paar Stichworte nennen, als da wären:
Virtual Reality, Robotertechnik (im Krankenhaus, als Sozialpartner, als Sextoy – alle bereits entwickelt und eingeführt, bzw. kurz davor), Tech-Tools mittels KI wie Datenanalysen zu Kundenverhalten oder im Marketing (auch im politischen Marketing), Social Bots… Vielleicht auch den Begriff Collaborative Intelligence ansehen, denn dann ist man voll im Transhumanismus. Und man merkt, dass wir schon drinstecken, wir haben es halt nur noch nicht in voller Konsequenz begriffen.
Und vielleicht auch mit einer Herrschaftsanalyse ansehen, wobei man da so weit nicht suchen muss, bzw. in Hinblick auf die Diskrepanz zwischen der Geschwindigkeit von gesellschaftlicher/politischer/rechtlicher Entwicklung und der technologischen. Da fährt der eine Trecker und der andere Ferrari.
Just my two cents.
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