Soziopod: Der vernünftige Jahresrückblick 2017

Ihr Lieben,

als treue Fans erhaltet ihr unseren Jahresrückblick traditionell in voller Länge (fast 3 Stunden) noch im alten Jahr. Viel Spaß und kommt gut rein, ne! ???

Unsere Themen:

– Terror und die gefühlte Normalität
– Verdrängung als Komplexitätsreduktion
– Filterblasen als Erholungsgebiet
– Die Qual der Wahl und die demokratische Chance
– Mehr Verwaltung wagen?
– Erfordern große Probleme neue Ideen?
– G20: Schützen, was man liebt oder zerstören was man hasst?
– #MeToo – Das Unsichtbare sichtbar machen
– Auf der Suche nach dem goldenen Chi
– Star Wars 8
– Soziologisches Ketchup oder philosophische Majo?
– Das „gute alte Deutschland“
– Die „beste Geschichte“ gewinnt?
– Faktische Zeitalter sind postfaktisch.
– Konstruktivismus Kritik
– Wir beantworten eure Fragen

Mögliche vernünftige Maxime für 2018:

Schütze was du liebst.
Zerstöre nichts, wenn du hasst.


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Kommentare

30 Antworten zu „Soziopod: Der vernünftige Jahresrückblick 2017“

  1. David

    Zu G20 eine als neutral gemeinte und hoffentlich auch so gelesene Ansammlung von Fragen, die sich mir spontan stellen und wahrscheinlich alkoholisch eingefärbt wurden:
    Wie distanziere ich mich von der Gewalt von Personen, die auf „meiner Seite“ stehen, oder – wahrscheinlich viel häufiger – meiner Seite zugerechnet werden? Wann hat man sich genug distanziert? Und welche Einflussmöglichkeit habe ich da eigentlich? Beispiel: Wenn ich als Linker in Hamburg bei der welcome to hell Demo teilnehme, weil ich die Provokation durch einen Versammlungsnamen vollkommen okay finde – Ab wann und wie distanziere ich mich von den Vollidioten die diesen Rahmen nutzen, um Krawall zu machen? Was soll/kann ich da mit meinen Möglichkeiten in so einem Setting tun? Und sind die Maßstäbe da eigentlich gleich gesetzt – muss die „Gegenseite“, also beipsielsweise die Polizeiführung und deren Strategen die gleichen Kategorien anwenden oder gelten hier andere Normen?
    Ich tue mich hier wirklich schwer. Ich sehe viel Krawall und Zerstörungswut, auch Hass der sich Bahn bricht. Ich verorte diesen jedoch – nach allem was ich darüber gelesen habe – vor allen Dingen bei den Gruppen die unter Bezeichungen wie „eventorientiert“ zu subsumieren wären. Die den Anlass nutzen, um ihrer Wut und ihrem Hass in einem nach ihrer Ansicht sozial akzeptablen Kontext Ausdruck zu verleihen. Die damit dem Großteil der linken Aktivisten mit politischen Forderungen und Überlegungen einen Bärendienst erweisen. Auf der anderen Seite habe ich immer wieder das Gefühl, dass die Gewalt weniger zur Relativierung der Gewalt, Rechtsbrüche (Beispiel Camp in Entenweder) und strategischen Fehler der „anderen Seite“, also der Polizei in diesem Fall genutzt werden. Um es populär zu halten: Ich fände es schöner sich die Option offen zu halten, beide Seiten aufgrund unterschiedlicher Aktionen scheisse finden zu können, anstatt das Fehlverhalten einiger auf der einen Seite gegen das Fehlverhalten einiger auf der anderen Seite aufzurechnen und am Ende möglichst bei einem Nullsummenspiel zu enden. Das ist mir sowohl zu einfach als auch zu gefährlich, weil es den Nährboden für beide Seiten bietet sich noch viel doller zu empören, weil man nicht ernst genommen wurde.
    Ceterum Censeo: Es wäre toll wenn es eine Möglichkeit gäbe sich über neue Kommentare – vor allem eure Antworten – per Mail informieren zu lassen. Danke für euren tollen Podcast. <3

    1. Herr Breitenbach

      Ich glaube die Grenze kann nur jeder für sich ziehen, oder?
      Es geht in erster Linie vor allem ja darum ab welchem Punkt man selbst bereit ist Gewalt auszuüben. Die Teilnahme an einer Demonstration mit provokativem Namen würde ich jetzt nicht dazu zählen. Dann schon eher der Punkt wo man sich überlegt: Eskaliere ich jetzt mit und werfe die Flasche oder ziehe ich mich aus der Eskalation zurück? Ich glaube so kompliziert ist das nicht.

      Und das gesetzlich legitimierte Gewaltmonopol in einer Demokratie wird bei Gewaltausbrüchen immer im Vorteil sein. Es sei denn von ihr ging ganz klar die willkürliche gewalt aus. Das macht den rein passiven Widerstand (sich vor den Panzer stellen) so effektiv und doch so schwer zugleich.

  2. Andi

    Prima! Die Themen sind vielversprechend, da freue ich mich auf’s anhören. 🙂

    Was mir aber gerade wieder mal aufgefallen ist, und falls man sich für 2018 was wünschen darf nach all den Jahren: Ich fänd’s super wenn ihr die MP3-Dateien quasi „werkseitig“ mit ID3-Tags versehen könntet! (Ich bekomme das zwar natürlich auch selber hin, aber es ist schon ein wenig lästig das bei jeder neuen Folge wieder zu machen und dann auch immer nachschauen zu müssen wie ich die vorherigen genau benannt habe damit sie im MP3-Player auch einheitlich sortiert werden.)

    1. Herr Breitenbach

      Ich nehme es mal mit auf unsere Liste 🙂

  3. Guido von Fragstein

    Zur Demokratiefrage ab ca. Minute 40 würde gerne anmerken, das der Sinn eines Systems zwar Komplexitätsredution ist. Dazu muss man aber wissen, das Komplexität nur bis zu einem bestimmten Grund reduzierbar ist. Ich bin sicher nicht der große Luhmankenner, deshalb frage ich mich, ob Luhmann geschriebt, wie das System die Komplexität reduziert und wie es merkt, wann es damit aufhören muss. Ich bezweifle, das es das tut. Das würde bedeuten, das es Systeme gibt, die ihre Umwelt (die Gesamtheit Menschen) unterkomplex darstellen. Gehört dazu dann vielleicht, das es offiziell Stimmt das es „Deutschland gut geht“ weil bestimmte Entwicklungen einfach nicht erfasst werden? Weil sie dem System zu komplex sind? Wie merkt eine System, wenn es sich aus der Welt der Fakten weg komplexitätsreduziert hat? ich vermute, das plötzlich in der Systemumwelt Dinge geschehen, die vom System nicht mehr beschrieben werden können und trotzdem da sind. Also „irritationen an der Systemgrenze“. Sollte man nicht eventuell Dinge, wie die G20 Ausschreitungen unter diese Prämisse betrachten? Als ein Ereignis, das sich als Katastrophe deshalb zeigt, weil seine Anbahnung von System nicht erfasst wurde. Weil es nicht in der Lage war die Wut und Unzufriedenheit vieler linker Jugendlicher und die Agressivität seiner eigenen Ordnungskräfte nicht erfassen konnte. Zu Komplex??

    1. Herr Breitenbach

      Ja! 🙂

  4. Sehr geehrter Herr Köbel,

    Sie haben kurz das Thema Anarchie angeschnitten und gemeint, dass Sie die Anarchie grundsätzlich ablehnen. Leider kann ich nur anhand des Zusammenhangs vermuten, was Ihre Definition von Anarchie sein könnte:

    Anarchie = Chaos und Gewalt ohne Existenz von Regeln, Normen und Werten

    Direkt danach sagen Sie, dass Sie glauben, dass Werte und Normen ohnehin auf den Plan treten. Wenn ich Ihnen nun unterstelle, dass Sie diese Glauben auch auf die Anarchie anwenden, dann bleibt als Kritikpunkt nur, dass bei anarchischen Gesellschaftsentwürfen in der Regel keine universelle Anerkennung irgendwelcher Normen oder Werte zugrunde gelegt wird, sondern diese jeweils zwischen Individuen auszuhandeln sind und auch nur zwischen diesen Gültigkeit haben bis sie eine Änderung herbeiführen.

    Hier ist vor allem wichtig, dass es natürlich nicht „die Anarchie“ gibt, geht man mal von der verunglimpfenden Gleichsetzung von Anarchie mit Chaos und Gewalt weg. Wie Sie es in meiner Erinnerung auch in Folge #50 zu den Ereignissen im Hamburg versucht haben.

    Letztlich bleibt offen, was Ihr Argument ist, welches gegen eine Anarchie spricht, außer, dass Sie trotz aller Bereitschaft zum Dialog letztlich eine Instanz haben wollen, welche nicht argumentieren muss, um ihre Normen und Werte anerkennen zu lassen, sondern die anderen Menschen Werte und Normen aufzwingen kann und darf. So wie es eben in demokratischen Staatsformen stattfindet und in jeder Herrschaftsform Normalität ist.

    Eventuell habe Sie eine negative Vorstellung davon, wie eine anarchische Gesellschaft gestaltet sein könnte. Ich für meinen Teil ziehe eine Gesellschaft ohne Gewalt und Zwang der jetzigen allemal vor. Nur weil es Gesellschaften mit mehr Gewalt und Zwang gibt, ist dies kein Grund, an den bestehenden Strukturen festzuhalten.

    Mit freundlichen Grüßen
    Martin Finger

  5. Jack

    Prätention, ich hoff das ist so richtig geschrieben, heißt anspruchsvoll, Abgehobenheit.

    Dann müsste es nach Popper nicht mehr für Leute sein, die wie Foucault oder Walter Benjamin sich alte Archieve usw. durchgucken, um eine andere Geschichte zu schreiben, also Gegenentwürfe, um den Satz „Die Geschichte wird von Siegern geschrieben.“ zu widerlegen? Ich mein, was Foucault durch seine Geschichte gezeigt hat, war doch, dass durchaus nicht der Humanismus alleine der Grund für „menschlichere“ Gefängnisse, Anstalten usw. gewesen sein muss.

    1. Herr Breitenbach

      Der Satz ist grundsätzlich nicht unproblematisch. Ich glaube es ist wichtig sich bewusst zu machen, dass Geschichte weder wertfrei noch objektiv formuliert wird. Und auch die Verlierer schreiben Geschichte, aber dann in einem anderen Diskurs. So wie es heute Genozidleugner sind, deren Geschichtsauffassung nicht in Lehrbüchern, aber sehr wohl in Büchern stehen. Daher ist am Ende die Frage: Welche Geschichte setzt sich langfristig mit welchen Methoden durch? Von daher ist die saubere wissenschaftliche Arbeit, die Nils vertritt, schon extrem wichtig, aber eben kein Garant für Wahrheit oder die Abbildung von Wirklichkeit oder historischen Ereignissen.

      Hier übrigens ein interessanter Artikel zum Thema Bilder im Diskurs und damit auch in der Geschichtsschreibung: https://www.welt.de/geschichte/article114225870/Die-ganze-Story-um-das-Foto-vom-Napalm-Maedchen.html

  6. Sabrina Arneth

    Hallo ihr Beiden,

    Eine kleine Gruppe von Soziologie Studenten aus Potsdam organisiert gerade ein Seminar in dem wir uns mit Fragen zur Wirksamkeit von Soziologie in der Gesellschaft beschäftigen möchten.

    Geplant ist am Ende dieser Seminare ein Veranstaltung mit einigen Gästen zu machen. Dafür sind wir u.a. im Gespräch mit Hartmut Rosa, wo wir die ungemeine Freude hatten, ihn kürzlich auf einer Tagung kennen gelernt zu haben.

    Gedacht werden soll ein bisschen in der Tradition der Kritischen Theorie. Und die gesamte Veranstaltung soll auch für Studneten anderer Unis offen sein.

    Wie würden uns auch sehr über euch freuen, sowohl natürlich als Denker und Diskussionspartner als auch als Beispiel, wie man die Reichweite von soziologischen Ideen vielleicht erhöhen kann.

    Das Ganze könnte natürlich auch aufgezeichnet werden.

    Bei Interesse würde ich euch unser Konzept zukommen lassen!

    Liebe Grüße und ein frohes neues Jahr
    Sabrina

    1. Herr Breitenbach

      Hallo Sabrina,

      schreibe doch gerne eine Mail an uns!

  7. Marek

    Hallo,

    vielen Dank für den „vernünftigen Jahresrückblick“!

    Ich fand es mal wieder sehr sehr sehr toll Euch zweien ohne die Radio-60-Min-Beschränkung zuhören zu können. Gerade die Diskussion und das aufeinander treffen von Euern zwei Meinungen fand ich im „alten“ Soziopod Format (also dem ursprünglichen Podcast ohne Zeitbeschränkungen) immer das spannendste. Insofern hab ich mich natürlich auch sehr gefreut, dass ihr auch über neue, längere Folgen gesprochen habt.

    Versteht mich bitte nicht falsch, die Radiofolgen sind gut aber fühlen sich halt (für Hörer die vorher das lange Format gewohnt waren) immer irgendwie unvollständig an. Die „Fakten“ eines Konzeptes kommen in 60 min gut rüber aber das Ausschweifende, Suchende, Diskutierende fehlt mir halt im kurzen Format irgendwie doch.

    Insofern hoffe ich ihr kriegt in 2018 vielleicht die ein oder andere „lange“ Folge produziert und wünsche Euch für das kommende Jahr nur das Beste

    Marek

    1. Herr Breitenbach

      Danke Marek,
      auch wir haben große Lust auf lange Folgen. Von daher wird es das auch geben.

  8. Sebastian

    Hallo Ihr zwei,

    toller Jahresrückblick! Ich möchte jedoch etwas ansprechen, was meiner Meinung nach unter den Hörern viel Verwirrung stiftet.

    Ihr erwähnt inzwischen in jeder Folge Luhmann und doch scheint es noch immer nicht klar zu sein, ob Luhmann Konstruktivist ist. Man kann aus logischen Gründen dem Konstruktivismus nicht folgen, weil er ein logisch denkendes Subjekt nicht unter seiner Theorie subsumieren kann, das selbst den Konstruktivismus konstruiert. Deshalb spricht Luhmann nicht von Subjekt und Objekt, sondern nur von Beobachtung unterschiedlicher Ordnungen. Luhmann ist Strukturdeterminist, kann aber die Systemtheorie als Supertheorie mittels der Systemtheorie erklären. Das kann der Konstruktivismus nicht. Die Tatsache, dass er sich Maturanas u.a. Theorie bedient, hat rein technische Gründe.

    Nebenbei lohnt es sich vielleicht auch mal in das philosophische Thema der Faktizität reinzuschauen. Selbst wenn es uns Menschen nicht gäbe, gäbe es Fakten, nämlich den fundamentalen Fakt, dass es keine Menschen gibt. Dazu brauchen wir niemanden, der diesen Fakt äußert. Wenn über Fakten getritten wird, muss meiner Meinung nach unbedingt das Verhältnis von Fakten und Äußerer von Fakten geklärt sein.

    @ Patrick („Schaffen wir Gott ab“): Mir scheint das bei dir oft so, dass du zu sehr in den Luhmann oder den Konstruktivismus verhangen bist. Bei Gott und Religion (siehe Hans Joas) geht es nicht primär um Nutzen oder Funktionen von Gott und Religion (auch wenn das von Interesse ist), sonder darum, dass Gott und Religion für viele Menschen eine Wahrheit ist. Dieser kann man sich argumentativ annähern oder sich über Selbstevidenz (auch Joas) erklären.

    Was meint Ihr?

    Liebe Grüße

    Sebastian mit Grüßen an Dieter Henrich

    1. Hallo Sebastian,
      danke für die Anmerkungen. Ich finde in fast ausnahmslos jeder Sekundärliteratur über Luhmann die Ansicht formuliert, Luhmanns Denken sei konstruktivistisch. Und in der Primärquelle „Erkenntnis als Konstruktion“ von 1988 sagt er dies selbst recht eindeutig, finde ich. Luhmann wird jedoch häufig als ‚gemäßigter‘ oder ‚operativer‘ Konstruktivist bezeichnet. Seine Bezugnahme auf Maturana hat daher nicht nur technische, sondern auch erkenntnistheoretische Gründe. Und: Luhmann ist m.E. im Gegensatz etwa zu Parsons gerade kein Strukturdeterminist, da sich Strukturen ihm zufolge immer nach Funktionen richten, das ist gerade eine Pointe seiner Theorie. Luhmann entwickelt daher eine funktionalistische und differenziale Systemtheorie auf der erlenntnistheoretischen Grundlage der Phänomenologie und des operativen Konstruktivismus.
      Soweit so vage,
      Nils

      1. Sebastian

        Hallo Nils,

        danke für deine Antwort – natürlich auch an Patrick.

        Dann wundert es mich aber erst recht, wenn zwischen euch Uneinigkeit besteht, wo doch die Sekundärliteratur eindeutig sei (übrigens: mein Leben ist definitiv zu kurz, um „jede“ Sekundärliteratur zu Luhmann lesen zu können).

        Ich möchte den zentralen Kern jedoch nochmal klarstellen. Erkenntnistheoretisch ist es bei Luhmann gerade interessant zu sehen, dass – nicht wie bei Kant – entweder dem erkennenden Subjekt, dem erkannten Objekt oder dem Kanal des Erkennens ein höherer „Wert“ zugesprochen wird (die Neurobiologen tun das sehr wohl zugunsten des Subjekts). Luhman lehnt deshalb meiner Meinung nach die Subjekt-Objekt-Betrachtung klar ab, nimmt hier keine Relationen (im streng logischen Sinne), sondern Beobachtungen unterschiedlicher Ordnungen an. Damit umgeht er schwierige normative Setzungen. Und gerade deshalb ist seine Anleihe in der Neurobiologie Maturanas u.a. technisch. Luhmann möchte natürlich auch vernetzt denken, aber ohne den technischen Gedanken der Selbstreferenz kommt die Systemtheorie nicht aus (Maturana hat diese Übertragung ja kritisch kommentiert).

        Und zur Strukturdeterminiertheit: Das meine ich doch gerade… er ist kein Funktions-determinist, sonder Strukturdeterminist! Das impliziert ja gerade der Begriff der Funktion, der bestimmte (Etrem-)werte zueinander in Beziehung setzt, aber streng funktional gedacht….

        Was meint Ihr?

        Liebe Grüße

        Sebastian

    2. Herr Breitenbach

      Hallo Sebastian,

      natürlich ist der Glaube an Gott (oder an Luhmann oder den Konstruktivismus oder an gar nix) eine subjektive Wahrheit. Daher bin ich auch sehr dafür, dass Religion Privatsache ist und ich aggressive Missionierung ablehne und ich die Trennung von Staat und Religion gut heiße. So wie ich auch niemanden den Glauben an Gott verbieten würde.

      Liebe Grüße

  9. Rene

    Erstmal ein großes Danke und Lob an euch beide für diesen wunderbaren Podcast, den ich mittlerweile auch schon sehr lange verfolge und noch kein Episode ausgelassen habe. Macht weiter so und bitte, bringt wieder mehr von diesen langen Episoden. Das kurze Radio Format ist euch und euren Themen nicht gerecht.

    Einen kleinen Einwänd hätte ich zu diesem Podcast und zwar richtet er sich an die Konstruktivismus Kritik. Zwar kann ich Nils nur umfänglich zustimmen, dass man Theorien und Weltbilder immerzu hinterfragen sollte, da sie doch alle irgendwo eine nicht von der Hand zu weisende Schwäche aufweisen. So sehr ich als Skeptiker den (radikalen) Konstruktivismus auch schätze, er hat mit einem recht fundamentalen Problem zu kämpfen (dazu später mehr). Gerade aber Nils Kritik hier kann ich nicht nachvollziehen, da sie meiner Meinung nach am Thema vorbei zielt, denn die hier angebrachte Kritik hat doch nicht direkt mit dem (radikalen) Konstruktivismus zu tun. Der (radikalen) Konstruktivismus ist ja besonders als Wissen(schaft)stheorie eine hoch rationale Theorie. Wenn sich da nun jemand wie ein Trump hinstellt und seine Dinge zum Besten gibt, dann kann man ihn höchstens vielleicht als dilettantischen Realtivisten bezeichnen aber bestimmt nicht als (radikalen) Konstruktivisten. Sehr wohl aber lassen sich seine Ansichten (und andere, eigentlich gar nicht so neue Phänomone wie Filterblasen) konstruktivistisch erklären. Nils rationale Argumentation pro wissenschaftlichem Arbeiten könnte auch 1:1 von einem (radikalen) Konstruktivisten stammen, mit dem Unterschied, dass ich Nils wissenschaftstheoretisch eher als Realisten einschätze und ein (radikaler) Konstruktivist einen strikten Anti-Realismus vertreten wird.

    Die große Schwäche findet der (radikale) Konstruktivismus in seiner Selbstanwendung. Er hat seinen Archimedischen Punkt ja selbst in wissenschaftlichen Erkenntnissen (die aktuell so stark wie noch nie zuvor sind, mit den Neurowissenschaften). Dessen waren sich jedoch auch ein zB von Glasersfeld oder von Foerster bewusst. Da es sich beim (radikalen) Konstruktivismus um eine skeptische Position handelt, appelierten sie daran auch den Konstruktivismus skeptisch zu betrachten und ihn zu entsorgen, sollte sein Fundament wegbrechen, statt ihn zu dogmatisieren. Was auch oft übersehen wird: Der (radikale) Konstruktivismus ist keine normative Position. Man kann aus ihm, wie aus den meisten anderen Erkenntnistheorien auch, keine Ethik ableiten.

    Das bringt mich aber nun auf einen persönlichen Podcast Wunsch von mir, ein längerer Podcast zum Thema Wissenschaftstheorie: Normative und deskriptive sowie allgemeine und spezielle Wissenschaftstheorie, das Problem der Methode, die Diskussion zwischen Realismus und Anti-Realismus und verschiedenste Theorien zum wissenschaftlichen Fortschritt (Kuhn, Popper, Lakatos,…). Mit einer einstündigen Radio Episode wird das also schonmal nichts 😉

    1. Herr Breitenbach

      Danke für deine ergänzenden Gedanken und deinen Wunsch nehmen wir mit auf die Liste. Ich denke das ist auf alle Fälle spannend sind das mal alles anzuschauen.

  10. Rainer Albrecht

    Liebe Soziopodcaster,
    ich höre das Format jetzt seit ca. 2 Jahren und wollte mich nach dem Hören des jüngsten Jahresrückblicks zunächst mal ganz allgemein bedanken für diesen besonderen Blick auf Politik und Gesellschaft!

    Ein interessantes Detaill zu American Beauty und Kevin Spacey – auch unter dem Aspekt des Konstruktivismus:
    Es ging ja eigentlich um die Frage, ob man Werk und Künstler trennen kann. Da sagte Patrick, die von Spacey verkörperte Rolle würde in dem Film zunächst der (minderjährigen) Freundin der Tochter und dann deren Freund nachsteigen. Und das sei ja insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Vorwürfe gegen Spacey beachtenswert. Pikanterweise ist es jedoch so, dass im Film der Vorwurf(!) gemacht wird, er würde dem Sohn nachsteigen, was aber nicht der Wahrheit entspricht – er kauft von diesem lediglich Haschisch. Letztlich wird er aufgrund der damit in Verbindung stehenden Verwicklungen vom (tatsächlich latent) homosexuellen Vater des Sohnes am Ende des Films erschossen. Spannendes Detail am Rande: Am Anfang des Films handelt sich die Spacey-Rolle eine satte Abfindung heraus, weil er den Vorwurf homoerotischer Avancen seinem Personaler androht. Von dem Geld kauft er sich einen Sportwagen, von dem schon immer geträumt hatte…
    Soviel also zum Thema Konstruktivismus! Ich bin da also ganz bei Nils, der sinngemäß sagte, es reiche nicht eine konsistente Story zu haben, man muss sich vor einer Bewertung immer mit den Fakten auseinander setzen.

    Das reißt mich noch zu einer anderen Bemerkung zum Themenkomplex ‚Soziale Medien – Konstruktivismus – Fakenews‘ hin: Es war leider schon immer so, dass unsere Hirne konsistente Stories lieben und die Auseinandersetzung mit Fakten eher anstrengend finden (Stichwort: Komplexitätsreduktion! Das hat aber evolutionsbiologische Gründe). Aus meiner Sicht haben die „Sozialen Medien“ sehr viel dazu beigetragen, dass wir uns zunehmend mit diesen Mechanismen (Eine konsistente Story ist im Zweifel mächtiger als die Fakten) auseinandersetzen müssen: Es wird eine Behauptung zum einem Fakt, wenn sie oft genug geliked oder geteilt wird. Früher hat man dazu einfach „Unfug“ gesagt. Die Kunst bestand wohl eher darin, eine konsistente Story widerspruchsfrei präsentieren zu können. Wenn dies nicht gelang, wurde man in die Mangel genommen (Beispiel: Kohl und seine Spenden). Diese Widerspruchsfreiheit wird zunehmend unwichtiger – es geht verstärkt um die konsistente Story. Das ist für mich ein wesentlicher Grund dieser ‚Anything-Goes-Attitüde‘ des Konstruktivismus zunehmend skeptischer zu begegnen.

    Ich hoffe, ihr bewertet diesen Kommentar als „konstruktiven“ Hinweis. Macht weiter so!
    LG Rainer

    1. Herr Breitenbach

      Herzlichen Dank für diese hilfreichen Ergänzungen und das Feedback!

  11. Sebastian Dicke

    Zu Eurem Unterpunkt zum Beispiel Wesen im Harry-Potter-Universum: Ein Mädchen, das die Existenz eines Wesens postuliert, heißt dort Luna Lovegood.

    1. Herr Breitenbach

      Danke 🙂

  12. meinsenf

    Es hat mich doch etwas erstaunt, dass zwei so hochreflektierte Männer selbst so unsicher sind was bei dem Gegenüber angemessen ist und was nicht. Dabei braucht Mann sich keine Sorgen machen, denn Frau spürt die Motivation und wenn der Mann sie nicht erniedrigen will, dann fühlt sie sich auch nicht belästigt. Stichwort Empathie, scheint wohl doch bei Männern schwächer ausgeprägt zu sein. Sie versuchen sich das Zwischenmenschliche auf der rationalen Ebene zu erklären…(Autismus soll ja ein zuviel an Männlichkeit sein..)

    1. Herr Breitenbach

      Ich dachte das hätten wir auch genau so geklärt 🙂
      Es gibt halt keine allgemeingültige Regel , sondern es kommt auf Kontext, Interaktion, Situation und Resonanz an. Und dazu bedarf es natürlich Empathie.

  13. Jack

    Zu G20 und stille Randalierer:

    Foucault meinte doch mal (in der Langen Nacht um Foucault im Deutschlandfunk – gibt es noch im Internet irgendwo), dass es momentan wichtiger sei, abzulehnen, was man nicht sein will, als für etwas zu sein. (Wobei ich das auch was zugedichtet habe.)
    Kann es nicht sein, dass die Steinewerfer deswegen nicht sagen, wofür sie sind, weil es gleich wieder kategorisiert, einsortiert, kritisiert, abgewogen werden würde?

    Ein überzeugter Anarchist könnte deswegen nicht groß hinausposaunen, dass er für seine Ideologie sei, weil er gleich abgewunken werden würde.
    In dem Sinne habe ich ein Zitat von John F. Kennedy gefunden:
    „Diejenigen, die friedliche Revolution unmöglich machen, machen gewaltsame Revolution unausweichlich.“ Ich kenn den Kontext nicht und man muss da auch nicht weitergehen wollen. Gewalt zu legitimieren legitimiert vielleicht eher noch mehr Gewalt. Was aber ist da dran?

    1. Herr Breitenbach

      Ob die Steinewerfer auch allesamt Foucaults Worte im Hinterkopf hatten, als sie die Steine warfen? Wir erwähnten ja, dass die Motive zur GEwalt durchaus vielfältig sind.

      Ansonsten sind wir halt nicht Foucault. Wir haben gesagt, was wir dazu denken. Es gibt halt viele verschiedene Diskurse zum Thema Gewalt und Protest. Unserer ist an der Stelle für dieses Ereignis klar formuliert – ob der Standpunkt richtig ist kann und sollte jeder für sich entscheiden. Daher empfehle ich das Gleiche wie Kant: Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen. Nicht nur den von Foucault. 🙂

      Anders formuliert: Es gibt nie den einen richtigen Weg. Alle scheinbaren Lösungsansätze führen zu neuen Problemen. Sonst wäre es ja ganz einfach und mit einem Streich wären alle Diktaturen beseitigt, wenn es denn so einfach wäre wie Kennedy und Foucault gesagt haben. Daher bin ich immer skeptisch bei einfachen und pauschalen Ratschlägen.

  14. Friedrich

    Mir scheint das Thema Terrorismus mit der Frage, ob man es nun aus Hass betreibe oder um etwas zu schützen, noch nicht ganz geklärt. Selbstverständlich würde fast jeder abstreiten irgendetwas aus Hass zu tun. Ein Glaubenskrieger könnte argumentieren, dass ein, zwei Menschenleben nichts seien im Vergleich zu der ewigen Verdammnis die uns arme Sünder erwartet, wenn er nicht eingreife. Er handle nicht aus Hass sondern schütze viele Generationen davor Frauen ohne Burka – also quasi nackt – herumlaufen zu lassen und damit bei Gott in Ungnade zu fallen. Oder andersherum würde der Pegidant sagen er schütze ja nur seine armen Kinder und sein geliebtes Vaterland vor solchen Barbaren. Ich kann mich ja da keinem dieser Diskurse anschließen und würde als begeisterter Soziopodhörer lieber ein paar Ideen sterben lassen (aber natürlich lieber auch nicht die eigenen, was beweist, dass ich mich ebenfalls in einer Blase befinde). Die Thesen und Antithesen seh‘ ich wohl, allein mir fehlt die Synthese. Schade das diese ganze lästige Komplexität nicht verschwindet, wenn man sie ignoriert.

    P.S. Schöner Podcast. Weiter so.

  15. toasti

    Eure Deskriptiv-Normativ-Debatte war ein wenig anstrengend, aber erheiternd. Gut gemacht!

  16. ICH WILL DIE LANGE NACHT DES IDEALISMUS! TAUSEND STUNDEN FICHTE! <3

    Danke für diesen schönen, außführlich wie kurzweiligen Überblick über ein wahnwitziges Jahr. Ich freu mich schon auf die Soziopods 2018. Ich will mich vor allem für die Star Wars Besprechung bedanken – auf so eine feinfühlige Interpretation, die sich mit meinem Eindruck von den Film deckt, habe ich viele Film-Videos, -Podcasts und -Analysen lang warten müssen 😀

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