Soziopod #029: Erziehung – We don’t need no education?!

Herr Breitenbach und Doktor Köbel widmen sich in dieser Ausgabe dem Thema Erziehung: Was genau ist das eigentlich und brauchen wir das? Was ist gute Erziehung und kann man eigentlich nicht nicht erziehen?

SHOWNOTES – DANK AN http://shownot.es/ UND @1nsider (Bitte flattrn!)

Thema heute „Erziehung“ (00:01:10 )

Erziehungswissenschaftler„We don’t need no education“Erziehungund seine Abgrenzung zur Sozialisationund dem Begriff der EntwicklungSoziopod 028VergesellschaftungJürgen HabermasFrankfurter SchuleAuf Wiki„natürliche Identität“impulsgesteuerte KinderFachjargon: signalgebende Verhaltensweisen, siehe „Frühe Bindungen und Sozialisation, eine Einführung“ von Christel Hopf;

Sozialisation (00:04:45 )

Niklas LuhmannWolfskinderErnst Cassirer, neu Kantianischer Philosoph; Kontamination kann auch von innen kommen; Klaus HurrelmannÉmile Durkheim;Durkheim „Sozialisation ist vor allem die Weitergabe von bürgerlichen Werten, Normen und Konventionen“; NK: „Kreative Menschen lieben ja nichts mehr als Einschränkungen, weil sie dann gefordert sind, die Einschränkung zu umgehen“; NK: „Sozialisation hört niemals auf“;

Erziehung (00:12:40 )

Erziehung ist intentionale Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche; Erziehung ist auch Manipulation; „Kann man überhaupt nicht nicht manipulieren?“ Propaganda Podcast;deskriptive Erziehungswissenschaftnormative Erziehungswissenschaft; Befehlshaushalt zu Verhandlungshaushalt; pädagogische AnthropologieKlaus Mollenhauer;Vergessene Zusammenhänge zwischen Kultur und ErziehungMemetikChristoph WulfTimm Thaler, der sein Lachen an den Teufel verkauft hat; Gibt es Menschen die nicht lachen können? Aufforderung an die Zuhörer: Kommentiert, wenn ihr die Antwort kennt.; Biologische Kodierung von Schreien und Weinen; Repräsentation mit Bildern statt Präsentation von realen Dingen; Filterung bzw. Abmildern der Realität; O. ComeniusDreigliedriges Schulsystem in DeutschlandHelicopter-parenting; Extreme Einflussnahme von Schulen auf Familien; Sozipod 028; Desintegration von Hauptschülern; Normative Erziehung „wie soll man Kinder erziehen“; Pink Floyd „We don’t need no education“; „Wer darf was, und wie?“; Anti-Autoritäre bzw Autoritär-kritische Erziehung)Homeschooling (in den USA)Richard David Prechts aktuelles Buch „Anna, die Schule und der liebe Gott: Der Verrat des Bildungssystems an unseren KindernFrontalunterrichtMontessori-SchulenWatzlawick: „man kann nicht nicht kommunizieren“; Nicht zu erziehen ist eigentlich sehr schädlich; Erziehungsproblem – „Wie soll man Erziehen angesichts dessen was Kinder sind?“; Kant; Automatismen und Musterübernahme; Kants Pädadgogik; Pädagogik VorlesungÜber die PädagogikAlfred PetzeltWinfried Böhm„Personalistische Pädagogik“; Kein Mensch der Welt kann einem anderen Menschen Vernunft oder Freiheit einpflanzen; Erziehung unter Annahme des Kindes als Person; The Wall;

Konditionierung (00:54:00 )

Francois Rebelais&Michel de Montagne: „Kinder sind keine Gefäße die gefüllt werden, sondern Feuer die entfacht werden“; Pawlowscher Hund; Watson „Gib mir einen Säugling, und ich entscheide ob es ein Bettler oder Arzt wird, denn die Summe der Lernerfahrungen ist seine Persönlichkeit“; Little-Albert-Experiment; Friseur Besuche;Clockwork Orange (klassische Konditionierung); BuchFilmJean Piaget:; Kinder sind von Anfang an aktiv; beeinflussend; selbstkonditionierend; Heinz von Foerster;“Alle Kinder haben den Wunsch ihre Denkstrukturen zu entfalten“; Laissez-faire KulturEntwicklungstheorie; Individualität im Schulsystem fehlt; Interview zur Nerdkultur; GamificationPISA-StudieKindergeldBetreuungsgeld; Komplex unangebrachter Schuldbegriff, Helikopter-Parenting; Neoliberalen-Motto „Jeder ist seines Glückes Schmied“; finnische Einstellung: Gesellschaft muss der Staat Regeln; Konsequenz: WolfahrtsstaatenBildungssystem in Finnland; Interviewpodcast mit Finnin, u.a. mit Entsetzen über die Zustände im deutschen Schulwesen; Bildung als Wirtschaftsmotor; Forderung von High-PotentialsBehaviorismus; mit Erziehung kann man Menschen nicht herstellen; Peter Biri und sein Bildungsbegriffschlechter Status von Lehrern in der Gesellschaft; geringe Bezahlung von Erziehern ist fatal; Kirchliche Träger und deren Lohndumping; Nachtrag: finnische Zustände; Numerus clausus;

Wozu wir heute nicht mehr kommen: Sozialpädagogik, gerade bei Kindern mit besonderen Bedürfnissen (01:29:16 )

Jesper Juul; Aufbewahrungsanstalten vs. therapeutisches Arbeiten; Dokumentationswahn in Psychatrien, pädagogische Arbeit kann nicht nachgekommen werden; Manfred Lütz: Irre – Wir behandeln die falschen: Unser Problem sind die Normalen – Eine heitere Seelenkunde;

Wann Erziehung aufhört (01:33:22 )

Lebenslanges Lernen; Grunderziehung; Mentoring/CoachingSoziopod PubertätGenerationalität;

Aufforderung an die Zuhörer: Kommentiert und kritisiert Dr. Köbels Erziehungstheorie (01:38:30 )

Soziopod 028 ExtremismusShownotesFlattr der ShownotesPodcast Tipp: „Resonator“ Forschungspodcast der Helmholtz-GesellschaftHolger KleinWRINT;Grimme Online vote; Outro-Musik: „we don’t need no education“ remix;


Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Schlagwörter:

Kommentare

21 Antworten zu „Soziopod #029: Erziehung – We don’t need no education?!“

  1. Jörg Friedrich

    Hallo, ihr habt in Eurem Podcast kurz die aktuelle Diskussion um R.D.Precht und die Bildung gestreift. Falls dessen Thesen und Vorstellungen in Kurzform Interesse finden, bei der (nicht so guten) Jauch-Sendung zum Thema findet sich eine recht ordentliche Zusammenfassung.
    http://daserste.ndr.de/guentherjauch/aktuelle_sen

    Danke für Euren, wieder sehr interessanten Podcast.

  2. Johannes Ammon

    Sehr interessanter, anregender Podcast, wie immer. Vielen Dank dafür.

    Ganz am Ende kam aber ein Punkt, wo ich euch widersprechen will: "Wann hört Erziehung auf?" – Ich denke, Erziehung hört auf, wenn das Kind erwachsen wird.
    Erziehung hat immer einen hierarchischen Aspekt, hier das Kind, dort der "Erziehungsberechtigte". Sie ist deshalb auch etwas anderes, als die normale gesellschaftliche Interaktion, mit der wir versuchen, unsere Umgebung und unsere Mitmenschen zu beeinflussen.
    Ehepartner beeinflussen sich gegenseitig zwar heftig, das ist m.E. aber etwas anderes als die Erziehung von Kindern. Als Oberarzt in der Klinik erwarten die jungen Kollegen von mir, dass ich sie weiterbilde, aber nicht, dass ich sie erziehe.
    Erziehung nach meinem Verständnis des Wortes wird immer von einem erfahreneren, mehr oder weniger erwachsenen Menschen an einem unmündigen Kind geleistet, das sich nicht freiwillig in die Rolle des zu Erziehenden begeben hat. Umgekehrt geschieht Erziehung (idealerweise) immer im besten Sinne des Kindes und nicht für die Interessen des Erziehenden.
    Es würde mich interessieren, ob die Meinung "der Wissenschaft" das ähnlich sieht.

  3. Hagen

    Bin ja ein Fan von Eurem Soziopod. Eigentlich hattet Ihr ein spannendes Thema. Fand diese Episode allerdings diesmal ziemlich flach – Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen neuen Denkrichtungen zu dem Thema, sondern festhaltend an den alten Theorien. Die Kritiken von HvF oder Frederic Vester am Bildungssystem oder auch aktuell durch Dueck kamen gar nicht vor. Selbst der alte Ansatz von Montessori oder Humbold nur kurz gestreift. Leider scheint mir diese Episode irgendwie dem veralteten 150 Jahre alten Bildungssystem aus den Anforderungen der Industriellen Produktion verfallen und scheint auch mit nur Anpassungen in Nuancen an diesem festhalten zu wollen (die eine oder andere Sache, die vielleicht zu kurz kommt, etc.), obwohl es generalüberholt gehört! Gefüllt von alten und veraltete Theorien, die vielleicht im historischen Seminar von Dr. Köbel interessant sein können – aufgewärmt und nicht auf heutige Anforderungen der Bildung ausgerichtet (Wissensgesellschaft, dauerhaftes lebenslanges Lernen,…).

    Erkenntnisse der aktuellen Hirnforschung: Fehlanzeige. Veränderte Anforderungen an die Bildung für die Zukunft durch die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung: Fehlanzeige. Leider nur auf einen bzw. wenige Wissenschaftszweige fokussiert und nicht wirklich Interdisziplinär. Auch die Kritik an Precht war ja nur stilistisch – damit wurde aber das gesamte Buch veggewischt. Anstatt den Stil einfach mal ausblenden und sich mal dem Inhalt zu widmen: Auf den sehr guten Inhalt wurde absolut gar nicht eingegangen. Ebenso auf das aus meiner Sicht sehr gute Buch von Saalfrank wurde nicht eingegangen. Zwar vielleicht auch etwas populärwissenschaftlich, aber inhaltlich und vom Ansatz her sehr gut. Kaum ein Blick in andere Länder, die ja hier vollkommen andere Ansätze als wir haben (leider nur durch Patrick angerissen, denn nicht nur Ausstattung ist dort anders, sondern auch die Art des Lernens/Bildung sowie das „Messen“, wie bspw. keine Noten und kein Sitzenbleiben,…). Insbesondere bspw. Schweden etc. Schade, dass alternative Bildungssysteme nur angerissen wurden. Auch das Thema Lehrer: Gesellschafliche Aufwertung definitiv – aber auch:

    Lehrer kann man nicht werden, wie Jurist, etc. Es ist kein klassischer Ausbildungsberuf, wie es unsere Universitäten glauben! Man kann nicht einfach Lehrer sein lernen oder durch noch mehr Pädagogik im Studium „produzieren“. Ein Lehrer muß Talent für seinen Beruf haben – hat ja Patrick wenigstens etwas angerissen.

    Zusammengafasst: Zwar wie immer sehr interessant, aber für mich persönlich doch deutlich zu sehr auf Deutschland bezogen und zu wenig Interdisziplinär (bspw. Hirnforschung) und zu wenig alternative Bildungskonzepte…

  4. BrEin

    Danke für die neue Folge und schön dass Ihr den neuen Player eingebunden habt. Warum aber habt Ihr jetzt aber keinen dedizierten Link zum Downloaden mehr? Darf ich mir die Folgen jetzt nur noch über den Browser anhören?

    Gruß und Danke

    BrEin

    1. BrEin

      Ich ziehe mein Anliegen zurück.
      Hier an einem Windows-PC funktioniert es.

      Habt Ihr das jetzt wirklich über Nacht ungestellt oder ist Bitlove wirklich so selektiv, dass es bei manchen Betriebssystemen und Browsern die Download-Option mal anbietet und mal nicht?

      Gruß
      BrEin

  5. BrEin

    Danke für die Folge.
    Ich fand es sehr interessant, zumal ich mir als Single bisher kaum Gedanken über Erziehung und Ausbildung gemacht habe.

    Was aber den Titel des Liedtextes angeht habe ich zwei Fragen:

    1. Education heißt sowohl Bildung/Ausbildung als auch Erziehung. Ist das nicht zu trennen? Kenntnisse und Fertigkeiten sind ja was anderes als Anstand, Moral, Habitus und Haltung.
    Wenn man das Unterscheiden kann, unterscheiden das die Englisch sprachigen Soziologen und Pädagogen auch, trotz des nur einen Begriffes?

    2. Warum die doppelte Verneinung? Ich dachte auch im Englischen gäbe es doppelte Verneinung mit der gleichen Konsequenz (Bejahung) wie im Deutschen. Dies würde aber den Rest des Liedtextes widerstprechen. „Wir brauchen keine Nicht-Ausbildung!“

    Gruß und Danke
    BrEin

    1. Herr Breitenbach

      Zu 1 kann ich wenig sagen. So weit ich weiß haben die Angelsachsen keinen wirklichen eigenständigen Begriff für „Bildung“. Aber wie gesagt zu 100% kann ich das nicht sagen.

      Zu 2: Die doppelte Verneinung löst sich hier nicht mathematisch auf. „We don’t need no education“ ist eher eine zusätzliche Verstärkung der Aussage. Hier gibt es eine ganz nette Erklärung zu der Zeile: http://www.xamuel.com/english-double-negative/

  6. thf

    Als ich euren Podcast das erste Mal entdeckt habe, dachte ich es würden z.B. bekannte Soziologen wie Simmel, Bordieu, Weber, oder Tönnies vorgestellt. Stattdessen gibt’s eine Mischung aus Philosophie, Theologie, Pädogigik und „Internetkunde“; was ich keinenfalls schlecht finde 🙂 Insbesondere die Bandbreite der Pädagogik war mir gar nicht bewusst – und inzwischen finde ich auch das sehr interessant. Und letztendlich redet man vmtl. auch am liebsten darüber, womit man sich selbst viel befasst.

    Zwei Dinge, die ich einwerfen wollte:
    Herr Breitenbach hatte von Wohlfahrtsstaaten gesprochen. Zu diesem Thema wäre es vielleicht interessant, mal über Gøsta Esping-Andersen (The Three Worlds of Welfare Capitalism) bzw. die Soziologie des Wohlfahrtsstaates an sich zu sprechen.

    Dann zur Bildung in den skandinavischen Ländern:
    So vereinheitlichend kann man das nicht sagen; es gibt kein „nordisches Bildungsmodell“ und die Ergebnisse sind auch nicht einheitlich. Ich hatte mich vor einer Weile damit mal etwas eingehender befasst, weil die Pisa-Ergebnisse der nordischen Länder und die Diskussion darum (in Deutschland) selbstgewähltes Prüfungsthema im (eher kulturewissenschaftlich ausgerichteten) Fach Skandinavistik waren. Ein wesentlicher Punkt, den ich mitgenommen habe war, dass man eigentlich nur Finnland durchweg besonders gute Ergebnisse bescheinigen kann, und das dann mit den anderen Ländern verwischt wird. Tatsächlich wird ja im ganz gerne von „den skandinavischen Ländern“ geredet, die in der Tat viel Gemeinsamkeiten aufweisen – aber eben auch sehr viele Unterschiede. So gibt es beispielsweise in Dänemark eine recht starke Tradition der „Volksbildung“, die mit https://de.wikipedia.org/wiki/Nikolai_Frederik_Severin_Grundtvig verbunden wird. Falls ihr tiefergehendes Interesse an diesem Thema habt, wäre vielleicht die Forschung von Tobias Werler (ich meine sogar, dass er Pädagoge ist) interessant, der einiges dazu veröffentlicht hat z.B. „Aspekte skandinavischer Bildung“ (2008). Er versucht zu erklären, wie sich die skandinavischen Bildungssysteme (seit dem 19 Jhd.) herausgebildet haben. Und zu der Finnlandsache fand ich folgenden Artikel als Einstieg sehr interessant: http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/03050060500317810

    1. Herr Breitenbach

      Danke für die interessanten Ergänzungen!

  7. Martin Schäfer

    Vielen Dank für den tollen Podcast. Auch die aktuelle Folge habe ich interessiert verfolgt.
    Schade fand ich nur, dass mal wieder die ach so populäre These vertreten wurde, kirchliche Träger würden jenseits von Tarifverträgen u.a. Lohndumping betreiben. Mich stört zunehmend diese pauschale und wie ich finde unreflektiert übernommene Behauptung.
    Ich habe einen recht guten Einblick in diesen Markt. Deshalb ist es mir ein Anliegen auf folgendes hinzuweisen: Innerhalb der Kirchen, die als Arbeitgeber eine immer größere Rolle spielen, sind mit Sicherheit Träger dabei, auf die völlig zurecht diese Kritik zutrifft. Insgesamt gesehen, sind es aber gerade die kirchlichen Träger, die sich an ein Tarifwerk binden und sich auch im Umgang mit den Mitarbeiter/innen an dem besonderen Anspruch messen lassen können (und auch müssen!).
    Ich kenne natürlich auch Beispiele, bei denen genau das nicht der Fall ist. Und das muss gerade bei kirchlichen oder konfessionellen Trägern besonders kritisiert werden. Eine pauschale Verurteilung (O-Ton Podcast: „schönen Gruß an die Kirchen“) ist zwar populär aber unfair.
    Wirklich weiter bringt eher die von Ihnen dann ja weitergeführten Diskussion, was wir als Gesellschaft bereit sind, z.B. für Erziehung zu bezahlen. Denn eine Kindergärtnerin ist selbst mit der bestmöglichen tariflichen Eingruppierung völlig unterbezahlt.

  8. Joachim

    Vielen Dank für die Einführung in das Thema. Wünsche mit einen Vertiefungsteil…wie kommt es denn, dass die Eltern immer nervöser werden? Das liegt doch nicht an der Schule, denn dort hat sich doch nichts geändert. Gut, die jungen Lehrer können die Rechtschreibung zum Teil auch nicht mehr oder haben Probleme mit dem Rechnen. Aber sonst? Die Schulleitung sagt, wir sind nicht verantwortlich für das Bildungsergebnis jedes Kindes, nur für die Gestaltung des Bildungsprozesses. Auch eine Haltung. Und in der Politik heißt es nur: Bildungspolitik ist kein Thema um Wahlen zu gewinnen. Was nun? Wie entwickelt sich die Bildungslandschaft? Kann man Trends erkennen?

    1. Herr Breitenbach

      Ich glaube nicht, dass sich in Schulen nichts verändert hat. Ich denke auf beiden Seiten ist der Druck angewachsen.

      Das Thema kann nur politisch angegangen werden, denn dort werden Gelder verteilt und wichtige Rahmenbedingungen gesetzt.

  9. Hagen

    Man mag Katharina Saalfrank vorwerfen, dass Ihr neues Buch „Du bist ok, so wie Du bist – Das Ende der Erziehung“ etwas populärwissenschaftlich sein mag. Dennoch bringt sie einerseits sowohl viel Erfahrungen als auch andererseits die aktuellen Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung zu einem sehr interessanten Ansatz zusammen. Ein Auseinandersetzen damit in einer weiteren und vertiefenden Folge zum Thema wäre sicher interessant. Daher möchte ich hier einen kurzen Auszug aus ihrem Buch zur „Einstimmung“ einwerfen:
    Beim heiß diskutierten Thema Erziehung prallen Menschen- und Gesellschaftsbilder in oft unversöhnlicher Härte aufeinander.
    Saalfrank kommt zu dem Schluss, dass jede Art von
    Erziehung nur als Schutzschild der Erwachsenen dient, um sich vor der Beziehung zu Kindern zu schützen.
    Kinder brauchen keine Erziehung, Kinder brauchen vor allem Beziehung!
    Erziehung geht davon aus, ein Kind sei noch kein „richtiger“ Mensch. Es herrscht die Überzeugung, ein Kind komme defizitär und halbfertig auf die Welt und müsse erst durch „Behandlung“, den Einfluss und die Einwirkung von Erwachsenen, zum Menschen gemacht werden. Die Menschwerdung geschieht nach dieser Vorstellung zum einen, indem das Kind ein bestimmtes Alter erreicht, zum anderen, indem der Erwachsene rigoros auf das Kind einwirkt, es beeinflusst und durch Manipulation dazu bringt, sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten.
    So haben Erwachsene durch alle Zeiten hindurch versucht, Methoden zu finden, um Kindern beizubringen, wie man sich „richtig“ benimmt und wie man ein „ordentliches“ Gesellschaftsmitglied wird. In diesem Sinne ist Erziehung also die – durch bestimmte Normen geleitete – Einübung von Verhaltensweisen und die Vermittlung diverser Kompetenzen.
    Die Entwicklungspsychologie hat jedoch längst widerlegt, dass Kinder als unfertige Wesen auf die Welt kommen, die erst nach und nach zu „richtigen“ Menschen werden.
    Die Forschung betont einhellig, wie wichtig die Qualität der Bindung und Beziehung zu unseren Kindern ist und dass sie als wesentliches Merkmal einer guten Entwicklung angesehen werden muss. Es liegen mittlerweile genügend wissenschaftliche Erkenntnisse über die Entwicklung von Kindern vor und darüber, was sie brauchen, um gut aufwachsen zu können. Diese finden jedoch noch immer keinen Einfluss auf die pädagogische Praxis.
    Erziehung im herkömmlichen Sinne ist unnötig und überflüssig!
    Wir können uns von der Vorstellung lösen, dass Kinder aktiv erzogen werden müssen. Erziehung bringt dem Kind nichts, es ist nicht im Sinne des Kindes, es hilft nur dem Erwachsenen.
    BEziehung anstatt ERziehung: Es fällt uns schwer, uns aus alten
    Mustern zu befreien, denn Beziehungsprozesse laufen häufig unbewusst ab. So ist zuallererst und immer wieder ein Blick auf uns selbst ganz wesentlich. Es geht eben nicht (mehr) darum, den Fokus ausschließlich auf das Kind zu richten, es zu manipulieren und auf es einzuwirken, um ein bestimmtes Ziel im Sinne eines erwünschten Verhaltens zu erreichen. Während Erziehung klar definierbare, zielgerichtete, lösungsorientierte Handlungen der Erwachsenen beinhaltet, setzt Beziehung eine offene Haltung dem Kind und seinem Wesen gegenüber voraus, die von Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist. Beziehung stellt den gleichwertigen und persönlichen Dialog in den Mittelpunkt und lebt davon, dass beide Partner vom jeweils anderen profitieren wollen.
    Es geht also nicht darum, Kindern lediglich ein demokratisches „Mitspracherecht“ einzuräumen, sondern vielmehr darum, dass wir Erwachsenen verstehen, dass wir von dem profitieren, was Kinder in eine Beziehung zu uns miteinbringen, was sie denken,
    fühlen und sagen. Es ist für uns Erwachsene ein Gewinn, wenn wir Kinder ernst nehmen und ihnen in einem persönlichen Dialog begegnen können!
    Wenn wir Erwachsenen uns trauen, uns auf Beziehung einzulassen, dann wird es uns möglich, von Kindern zu lernen und bestimmte Kompetenzen, wie zum Beispiel Offenheit, Unvoreingenommenheit, Sensibilität, die uns aberzogen, mit Erziehung abtrainiert wurden, wiederzuerlangen.
    Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass sich gelebte Familienstrukturen hinterfragen lassen müssen: Warum folgen
    wir noch oft einer alten Machtstruktur und behandeln Kinder wie „Untertanen“, die uns ausgeliefert sind? Welche Rolle wollen wir als Eltern unseren Kindern gegenüber einnehmen? Sollten wir überhaupt eine Rolle einnehmen, oder können wir uns als Mensch authentisch zeigen? Authentisch in dem Sinne, dass wir uns den Kindern mit unseren Gefühlen – und nicht nur mit unseren vermeintlichen Stärken, sondern auch mit unseren Schwächen – offen zeigen.
    Eine gute Beziehung ist geprägt von Dialog, Offenheit und Toleranz: Der andere wird mit seinen Bedürfnissen respektiert und auch in seiner Andersartigkeit und Vielfalt akzeptiert.

    Erziehung: Du bist o.k., so wie ich will!
    Beziehung: Du bist o.k., so wie Du bist!

    Hier noch ihre 10 Thesen zu „Erziehung“:

    1. Erziehung ist ein Anachronismus.
    2. Erziehung beruht auf Machtstrukturen.
    3. Erziehung ist Gewalt.
    4. Erziehung setzt auf Gehorsam.
    5. Erziehung ist unpersönlich und dient nur den Erwachsenen.
    6. Erziehung nimmt Eltern Verantwortung.
    7. Erziehung beschneidet Potenziale.
    8. Erziehung nivelliert.
    9. Erziehung macht schwach.
    10. Erziehung hat eine Lobby, Kinder haben keine.

    1. Herr Breitenbach

      Frau Saalfrank hat einen ganz eigenen Erziehungsbegriff als beispielsweise den, den wir in der Episode beschrieben haben. Sie spricht anscheinend vornehmlich von autoritärer Erziehung. Das mit dem Begriff der Erziehung per se gleichzusetzen oder gar die unsinnige Aussage zu treffen „Beziehung statt Erziehung“ mag sich vielleicht schön anhören und gut verkaufen, aber im Kern ist das natürlich nicht alltagstauglich und ist im Grunde genommen eine Themaverfehlung. Beziehung ist m.E. sowieso die Voraussetzung für Erziehung.

      Das mit dem demokratischen Dialog ist immer wunderbar, bis zu dem Punkt wo das Kind über die stark befahrene Straße laufen will, da beginnt man als Eltern sicherlich keine demokratische Diskussion.

      Ansonsten verstehe ich schon im Kern was du meinst, aber auch das ist ein Erziehungsstil, wenn man Erziehung so versteht, wie wir versucht haben es zu umschreiben: Eine permanente bewusste und unbewusste Interaktion um Menschen in unsere Gesellschaft und Kultur einzuführen. Das kann man halt auf verschiedene Art und Weise tun.

  10. Stefan

    Im Podcast werden viele wertvolle Überlegungen genannt, die sich stark mit meinen Vorstellungen im Bezug auf Pädagogik und so überschneiden. Aber als Jesper Juul genannt wurde, fiel am Rande sinngemäß die Aussage dass Kinder und Erwachsene als gleichwertig, jedoch nicht als gleichberechtigt angesehen werden sollten, weil Erwachsene mehr Erfahrung haben und demzufolge auch mehr zu sagen hätten.

    Ich habe mit dieser Argumentation ein schlechtes Gefühl: In der Gesellschaft gibt es massenhaft sehr unterschiedlich erfahrene/befähigte Menschen, aber trotzdem sind sie gleichberechtigt. Ich finde es unplausibel, warum der Grundsatz der Gleichberechtigung nicht auch zwischen Kindern und Erwachsenen gelten sollte. Genaugenommen finde ich bereits die Abgrenzung von Kindern und Erwachsenen (unter anderem durch willkürliche Kriterien wie Altersgrenzen) konstruiert und ein hinterfragenswertes Menschenbild.

  11. Hans Hassdenteufel

    Danke für die tolle Episode von einem frischen Papa!

    Es ist
    etwas schade, dass Ivan Illich nicht besprochen wurde (Stichwort
    Deschooling), falls das Thema Schule irgendwann nochmal direkter
    angegangen wird, wäre das evtl. interessant.

    By the Way und weil es keine separate Sendewunschrubrik gibt: Wann kommt eine Erich-Fromm-Folge?

  12. Jochen

    Wirklich interessant und anregend, wie immer!
    Als Themenbeitrag würde ich gerne loswerden – und ich hoffe, dass dies nicht zu uninteressant ist – einen Hinweis auf die Frage, ob es Menschen gibt, die nicht Lachen können: Von Liam Gallagher wird dies behauptet. Man weiß natürlich nicht, ob er’s tatsächlich nicht kann, oder ob er nicht will.

  13. Markus Mathar

    Wieder mal eine sehr schöne, sehr lehrreiche, inspirierende Folge. Ich bin hier spät dran. 3 Jahre… Egal.
    Sehr schön für mich: mein Erziehungsideal, das ich nicht aus Büchern hatte, wiederzufinden in der Idee vom Heben des – schon vorhandenen – Potenzials, und von der Ermöglichung der Ausübung von Freiheit. Sehr schön.
    Eine Krux an dem so häufigen Kampf um „richtige“ Erziehung könnte hier übrigens der Begriff sein. Die ansonsten so kluge deutsche Sprache wirft einem da einen wirklich groben Klotz zwischen die Beine, das Ding „Er-Ziehung“ zu nennen. Vielleicht sollte man das Ding „Erblühung“ nennen (zu kitschig, ich weiß). Oder „Er-Mutigung“ (gibts schon). Oder „Erreifung“. Ratgeber titelten dann „Wie man seine Kinder richtig erreift.“ Oder wir sprächen von Erreifungsberechtigten.

    Einen Hinweis noch zu der Frage mit dem Lächeln:
    http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/mimik-und-genetik-blinde-athleten-laecheln-wie-sehende-a-598645.html sagt: von Geburt an Blinde haben subtile „Kenntnisse“ über Mimik, die nicht vom Abgucken kommen kann, da sie ja nie gesehen haben. Beispiel: soziales Lächeln. Beschrieben wird dort der Klassiker: Zweiter geworden im Wettkampf, ab aufs Treppchen, Lächeln für den Fotografen.

  14. Sebastian

    Nach so vielen Jahren immernoch aktuell, wie mir scheint. Tolle Anregungen die ihr da bringt.
    Zu dem Thema, was zu Erziehung berechtigt und wann sie aufhört, finde ich noch zu unserer Zeit ganz passend die Ansicht von Martin Buber. Der in der dialogischen Beziehung beschreibt, wie das miteinander laufen sollte. In der Erziehung gehört zu der Beziehung, die jeder Pädagoge braucht, ein Wahrnehmen und spüren des Kindes. Ohne diese individuelle Sicht ist keine qualitative Erziehung zu leisten. Und weiter ist diese dialogische Beziehung einseitig, da der Pädagoge immer intentional an das kind gehen muss, weil größere Erf. etc., und sobald das Kind diese Art der Beziehung, diese einseitige Art der Beziehung verstanden hat. Geht diese innige Beziehung in eine freundschaftliche über oder in eine oberflächliche vllt. funktionale Beziehung über.
    So will ich behaupten, wenn das kind begreift und sich gegen den Erwachsenen wendet, wie in der adoleszenten Phase, ist der Begriff der Erziehung nicht mehr richtig. Das soll nicht heißen dass meine Erziehung mehr nötig ist, sondern eine andere Bezeichnung nötig ist, da irreführend und nicht angemessen dem adoleszenten Kind gegenüber.

    Ich finde euren SozioPod immer wieder gut! Danke

  15. P.Schallenberg

    Hey ihr Helden der Bildung. Habe vor einer Woche den Soziopod entdeckt und höre seitdem täglich eine Folge. Danke für dieses Interdisziplinäre Bildungsformat! vIn Anbetracht der heutigen Wahl, empfinde ich Handlungsbedarf zum Thema Bildung.
    @Breitenbach, ich würde mich gerne mehr über Gamification im Bildungssektor informieren. Kannst du deine Quellen offenlegen? (Schule in den USA) Die Kritik am Kindergeld teile ich nicht. Ich habe zwar keine, dennoch empfinde ich das Kindergeld in den Händen der Eltern gut aufgehoben. Es wird (subjektiv) in erster Linie für Brot, Butter und Markenklamotten (Konsum) ausgegeben und soll gar keine Chancengleichheit herstellen, sondern eher Teilhabe. Ich befürworte auch die Forderung nach einem Elterngehalt der ödp. Meine Mutter hat als Krankenschwester (Dienst am Menschen) 4 Kinder alleine erzogen und muss nun neben ihrer Rente putzen, um nicht an Altersarmut zu leiden. Das Geld sichert nur den Lebensstandard. Ganz nach dem Motto: Eltern gut, Kinder gut. Das muss man unabhängig von Bildung auch haben.

    PS: Eine Live Veranstaltung in Berlin würde ich gerne besuchen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.